Im Hoflädle und an 28 Verteilstellen sind die portugiesischen Früchte zu haben. Foto: Stoppel

Matthias Kästner hat einen Direkthandel mit Kleinbauern aus Portugal aufgebaut. Mit dem auf Fairness und Frische setzenden Handelsprojekt Pois kommt er inzwischen der steigenden Nachfrage nach portugiesischen Früchten kaum hinterher.

Winnenden - Der Löffel versinkt in der butterweichen Kiwi, der süße Saft der Orange läuft bereits beim Schälen über die Finger. Und dann der erste Biss – eine Offenbarung. So also können Früchte schmecken, die reif vom Baum gepflückt wurden und nicht monatelang in Lagerhallen auf den Weiterverkauf gewartet haben.

Diese besondere Qualität überzeugte auch die Freunde von Matthias Kästner: „Als ich ihnen die ersten Orangen aus Portugal mitgebracht habe, wollten die nie wieder etwas anderes haben“, erzählt der Winnender. Drei Jahre ist es her, dass der Industriekaufmann bei einem Winterurlaub in seiner zweiten Heimat Portugal mit Kleinbauern ins Gespräch kam und danach einige Obstkisten in sein Auto lud. Weil die Freunde mehr wollten, fuhr er das nächste Mal mit einem Transporter samt Anhänger 2511 Kilometer quer durch Europa, um Nachschub zu holen.

Das Obstprojekt als Lebensaufgabe

Aus diesem kleinen ersten Samen ist schließlich sein Projekt, oder – wie Kästner es immer wieder betont – seine Lebensaufgabe entstanden. Pois hat er seine Firma genannt: „Weil!“ bedeutet es, frei aus dem Portugiesischen übersetzt. Für Matthias Kästner gibt es jede Menge Gründe, 60 bis 70 Stunden in der Woche für Pois zu arbeiten, alle paar Wochen nach Portugal zu fliegen und seine ganze Energie in die Entwicklung des direkten Handels zu stecken.

Ein Hauptgrund sind die Menschen der Algarve. „Pois ist eine Hoffnung für die Bauern“, erzählt sein portugiesischer Kontaktmann Gustavo Braganca in einem Film über das Projekt. Und Matthias Kästner berichtet, dass diese kleinen Erzeuger an den großen Firmen verzweifeln, die den Preis so niedrig halten, dass sie die Früchte ihrer Arbeit auch unter dem Baum verfaulen lassen oder an die Schweine verfüttern können. „Ähnlich passiert es ja hier mit dem Streuobst“, erzählt Kästner, der selbst 32 Wiesen im Zipfelbachtal pflegt.

Den portugiesischen Bauern kann er durch den direkten Handel für die Orangen etwa das Fünffache dessen zahlen, was sie normalerweise bekommen – und zwar das ganze Jahr über. „Sie bekommen immer das gleiche Geld, weil wir das Spiel an der Fruchtbörse nicht mitmachen.“ Mit zwei Bauern hat er angefangen, mittlerweile liefern 88 Erzeuger an Pois. Einige sind zertifizierte Biobauern, alle müssen sich an die Regeln von Pois halten, die etwa chemische Schädlingsbekämpfung oder das Behandeln der Früchte nach der Ernte verbieten. Alle paar Wochen kontrollieren Matthias Kästner und der Biobauer Gustavo Braganca, ob die Richtlinien eingehalten werden.

Inzwischen gibt es 28 Abholstellen

Die Nachfrage nach den Produkten ist inzwischen so stark angestiegen, dass einige Bauern begonnen haben, auf brachliegenden Flächen wieder neue Bäume anzupflanzen – obwohl sie in manchen Fällen schon kurz davor waren, ihren Betrieb aufzugeben. Neben dem Hofladen in Winnenden und einem Geschäft im Fluxus Stuttgart gibt es mittlerweile 28 Pois-Abholstellen, darunter in Ludwigsburg, Esslingen, Bad Boll, Rottweil, Tübingen und Vaihingen/Enz. „Weil die Kunden möchten, dass wir zu ihnen kommen, besorgen sie uns sogar Stellplätze“, berichtet Kästner.

Bis ins Frühjahr hinein kommt alle vier bis fünf Wochen ein Lastwagen zu den Abholstellen und liefert die vorbestellten Waren. Aus den ersten paar Kisten sind inzwischen etwa 26 Paletten geworden, auf denen sich neben Orangen und anderen Zitrusfrüchten auch Avocados, Strauchtomaten, Landgurken, Paprika, Süßkartoffeln oder Erdnüsse stapeln. Die Orangen sind dann etwa eine Woche vom Baum – frischer geht es kaum. Gleichzeitig werden durch das System der Vorbestellung unnötige Überschüsse vermieden. „Wir werfen fast nichts weg, sondern schauen, dass wir unsere Reste zu Chutneys oder Eis verarbeiten“, erläutert Kästner, der auch Marmeladen, Olivenöl oder Meersalz vertreibt.

Die fair gehandelten Waren werden inzwischen auch von Weltläden, dem Gastrobereich von Manufactum Stuttgart oder dem Kantinenlieferant s-bar bezogen. „Wir schauen uns jede Anfrage genau an und prüfen, ob derjenige zu unserem Konzept passt“, erzählt Matthias Kästner. Denn bei aller Freude an schnellem Wachstum weiß der 49-Jährige, das/s erst mal die Struktur von Pois gefestigt werden muss. Kästner zu den weiteren Plänen „Wir wollen braches Land wieder aufforsten und haben bereits 1500 Zitrusbäume gepflanzt.“