Das traditionelle Fließband soll zwar wegfallen. Audi zeigt in einer Werkshalle in Ingolstadt, wie eine Drohne in Lenkrad transportiert. Foto: Audi

In den Werkshallen der Zukunft fliegen Drohnen und 3-D-Druckerfertigen Teile von Fahrzeugen, die von fahrerlosen Gabelstaplern angeliefert werden.

Ingolstadt - Vor gut 100 Jahren hat US-Pionier Henry Ford mit Fließbändern den Autobau revolutioniert. Seitdem wurde die Produktivität stetig oben getrieben, am Grundprinzip des Fließbands aber hat sich nichts geändert. Damit ist nun Schluss, wenn Hubert Waltl nicht irrt. „Das Fließband als Taktgeber hat ausgedient“, sagt der Audi-Produktionsvorstand. Er steht in einer Art Großlabor, einer Halle am Firmengelände der Ingolstädter VW-Tochter, wo die automobile Produktion auf ein neues Intelligenzniveau ohne Fließband zusteuert.

Noch hat vieles Demonstrationscharakter. Startup-Atmophäre durchweht die Halle. Klar wird dem Betrachter aber schnell, dass die Zukunft der Autofertigung modular ist. Das hört sich unspektakulär an, bedeutet aber nicht weniger als eine neue Revolution der Produktion. „Wir zerhacken das Fließband in digital vernetzte Montageinseln“, erklärt sie Fabian Rusitschka. Er ist Chef des Audi-Spinoffs Arculus, der für die Ingolstädter die intelligente Autofabrik der Zukunft plant. Sie ähnelt produktionstechnisch einem Maßanzug. An der einen Station werden Türdichtungen eingebaut, an der anderen Lenkräder verbaut, aber eben nicht mehr im gnadenlosen Takt des Fließbands.

Software schickt die Teile an die Arbeitsmodule

Möglich ist das, weil mittlerweile nicht nur Produktionsroboter, sondern auch zum Einbau bestimmte Teile sprechen gelernt haben und digital mit einem Produktionsleitstand vernetzt werden, wo es wie im Tower eines Flughafens zugeht. Intelligente Software schickt Teile an das Arbeitsmodul, das gerade gering ausgelastet ist und bremst, wo ein Stau zu entstehen droht. „Intelligente Fertigung sucht sich die kürzeste Schlange“, erklärt Rusitschka. Zudem passt sich der Takt der Arbeit dem Beschäftigten an, ganz anders als bei Fließbandarbeit. Außerdem gehört die Gefahr eines Bandstopps mit Stillstand der gesamten Produktion der Vergangenheit an.

Doch gleichzeitig erzwingt das in Werkshallen bisher unbekannte Verkehrsströme. Denn es ist nicht mehr das Fließband, das halbfertige Karossieren anliefert. Künftig übernimmt das „Paula“. Dies ist der Kosename der Arculus-Experten für einen selbst entwickelten Transportroboter, der wie ein flacher, rund zwei Meter langer Quader auf Rädern aussieht. Paula sieht per Sensoren und GPS-gesteuert 50 Meter im Umkreis, kann Hindernissen selbstständig ausweichen und mit Kollegen aus Fleisch und Blut auch sprechen. Audi überträgt hier die Technologie von Roboterautos, die ohne Mensch am Steuer auskommen, auf die Produktion.

Die Drohne „Paula“ kann Antennen transportieren

„Paula“ kann auch die Gestalt einer Drohne annehmen, wenn Kleinteile schnell an ein Arbeitsmodul müssen. Auf diese Weise können 184 Gramm leichte Antennen aber auch zweieinhalb schwere Lenkräder angeflogen werden. „Paula“ als selbstfahrender Tranportroboter ist schon im ungarischen Motorenwerk Györ im Einsatz. In den nächsten zehn Jahren werde die modulare Fertigung mit all ihren Komponenten nach und nach in allen Audi-Fabriken Einzug halten, glaubt Waltl.

Dazu zählt auch der 3D-Druck von Stahl- oder Aluteilen. Hier geht es nicht um Massenproduktion, weil 3D-Druck sehr teuer ist und möglicherweise nie wirtschaftlicher wird als das Gießen und Fräsen. Aber manches innovative Teil oder Produktionswerkzeug kann man nicht auf herkömmliche Art, sondern nur per 3D-Druck fertigen.

Die Fabrik wird nicht menschenleer

Menschenleer werden die Fabrikhallen der Zukunft trotz aller Maschinenintelligenz nicht, verspricht Tarek Mashhour. „Ein paar Berufsgruppen werden wegfallen, aber noch mehr neue dazukommen“, meint der Audi-Digitalstratege. Wegfallen werden zum Beispiel Gabelstaplerfahrer, weil die Transporter künftig fahrerlos unterwegs sind. Dazu kommen Fernwartungsspezialisten, die Datenbrillen tragende Kollegen in einem hunderte oder tausende Kilometer entfernten Werk zu Störquellen lotsen, um Fehler rasch zu beheben. In der Fertigung können auf solchen Brillen Kurzvideos abgerufen werden, wenn es um knifflige Montage geht. Auch in der Entwicklung können Spezialisten dadurch über große Entfernungen hinweg in virtuellen Räumen zusammenarbeiten.

Digitaltechnik in Verbindung mit Software kann voraussagen, wo demnächst Fehler in der Produktion auftreten. Sie vernetzt auch Fertigung mit Logistik und verringert so den Flächenbedarf im Werk. Unter dem Strich führt das zu prozentual deutlich zweistelligen Effizienzsteigerungen, schätzt Waltl. Genauer wird er nicht. „Wir würden es nicht machen, wenn es teuerer als bisher wäre“, meint der Vorstand nur. Audi wolle jedenfalls das weltweit effektivste Produktionsnetzwerk für Premiumautos schaffen. Das streben auch Konkurrenten an.

Von der neuen Produktionswelt hätten auch Kunden etwas, versichert Mashhour. Sie könnten künftig Änderungswünsche noch bis kurz vor der Fertigung ihres Autos anbringen und überhaupt ihren Wunschwagen noch individueller gestalten. Die Stückzahl eins rückt in Reichweite. Wann die erste Fabrik komplett modular umgerüstet, wissen auch die Planer bei Audi nicht genau. „Aber es kommt schneller, als viele glauben und auf breiter Front“, sagt Waltl voraus.