Die Entscheidung über Fahrverbote ist gefällt: Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), wartet vor Verhandlungsbeginn vor dem Verwaltungsgericht. Foto: dpa-Zentralbild

Umweltschützer sehen das jüngste Urteil zu Diesel-Fahrverboten als Ohrfeige für die Große Koalition. Warum das Urteil die Entscheidung für verunsicherte Dieselfahrer, die es vor allem auch in Stuttgart gibt, nicht unbedingt leichter macht.

Stuttgart - Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat nach dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zu Diesel-Fahrverboten auf mehreren Straßen in der Hauptstadt von einem „guten Tag für saubere Luft“ gesprochen. Das Fahrverbot soll demnach ab dem 1. April 2019 für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 1 bis 5 auf elf Straßenabschnitten gelten, wobei Ausnahmen für Anwohner und Handwerker zu prüfen sind. „Dieses Urteil ist eine schallende Ohrfeige für Verkehrsminister Scheuer und Umweltministerin Schulze“, erklärte Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan. „Ihr Diesel-Kompromiss hatte nicht mal eine Woche Bestand.“ Solange die Autoindustrie nicht gezwungen werde, Hardware-Nachrüstungen für alle schmutzigen Diesel in allen Städten anzubieten, blieben Verbote die einzig wirksame Maßnahme, um die Gesundheit der Menschen zu schützen.

Überlegungen zu Fahrverboten für Euro-6-Diesel

Das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts macht verunsicherten Dieselbesitzern die Entscheidung nicht unbedingt leichter. Welcher Diesel darf es denn sein und welcher ist möglicherweise später von einem Fahrverbot betroffen? Das mag sich mancher Dieselfahrer fragen. In Stuttgart sind ab Januar 2019 zwar erst einmal Fahrverbote für Euro-4-Diesel geplant – in Berlin ist man bereits weiter. Und die dortige Debatte dreht sich nicht mehr nur um ältere Dieselautos bis zur Euro-5-Norm. Die Berliner Landesregierung prüft, ob Fahrverbote ab 2020 auch für modernere Diesel notwendig sind. „Auch die Euro-6-Diesel sind ja bekanntermaßen nicht alle sauber“, hatte ein Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung bestätigt. In Szenarien würden daher auch Einschränkungen für Diesel mit den Abgasnormen Euro 6a, 6b und 6c untersucht. Lediglich Autos, die die Abgasnorm Euro 6d-temp erfüllen, gelten als tatsächlich sauber.

Der Berliner Vorstoß konterkariert den jüngsten Dieselkompromiss der großen Koalition. Danach sollen Dieselfahrer ihre von Fahrverboten bedrohten Dieselautos der Normen Euro 4 und Euro 5 beim Hersteller in Zahlung geben können. Im Gegenzug erhalten sie einen verbilligten, vermeintlich sauberen Neuwagen. Dazu zählen auch Euro-6-Fahrzeuge.

Würde Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg schaden

„Ein Euro-6-Fahrverbot stand und steht zu keiner Zeit zur Debatte“, heißt es im Wirtschaftsministerium in Stuttgart auf Anfrage unserer Zeitung. „Wer derartiges fordert, trägt lediglich zur Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger bei und schadet dem Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg“, wird man noch deutlicher. Das Land setze die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts mit der Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart um. Die Grenzwerte für Feinstaub würden voraussichtlich bereits 2018 eingehalten. Man gehe davon aus, dass 2019 auch der Grenzwert für NO2 mit einem zonalen Fahrverbot für Euro-4-Diesel und dem ambitionierten Maßnahmenpaket des Landes sowie den Anstrengungen zur Flottenerneuerung, Software-Updates und Hardware-Nachrüstungen eingehalten werde. Über ein Euro-5-Fahrverbot werde gegebenenfalls im Sommer 2019 entschieden.

Auch im baden-württembergischen Verkehrsministerium verweist man in Sachen Luftreinhalteplan auf die Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in dem sich die Aussagen zu den Verkehrsbeschränkungen lediglich auf Euro 4 und Euro 5 bezogen hätten. Außerdem sei bekannt, heißt es im Verkehrsministerium in Stuttgart weiter, dass die NOx-Emissionen der gesamten Fahrzeugflotte der Euro-6-Diesel deutlich geringer seien als die der gesamten Euro-5-Diesel-Flotte. Der Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans sehe keine Fahrbeschränkungen für Diesel-Fahrzeuge der Euro-6-Norm vor. Es gehe um Verkehrsbeschränkungen für Diesel-Fahrzeuge der Euro-4-Norm von 1. Januar 2019 an – neben zahlreichen anderen Maßnahmen wie dem Ausbau des ÖPNV oder etwa der Einrichtung einer Schnellbuslinie zwischen Bad Cannstatt und der Innenstadt.