Stuttgart plant ein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge. (Archivfoto) Foto: dpa

Ungewöhnliches Bündnis von SPD, FDP und AfD im Landtag: Beim von Grün-Schwarz geplanten Fahrverbot ist sich die Opposition einig, die Regierung habe den Kontakt zum kleinen Mann verloren.

Stuttgart - Die Landtagsopposition hat der grün-schwarzen Landesregierung vorgeworfen, mit ihrem geplanten Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge in Stuttgart die Bodenhaftung verloren zu haben. „Was sie planen, ist schlichtweg eine kalte Enteignung“, sagte SPD-Verkehrsexperte Martin Rivoir am Mittwoch in Stuttgart. Mobilität müsse für Menschen mit kleinem Geldbeutel bezahlbar bleiben und dürfe nicht zur sozialen Frage werden. Die Grünen hätten sich mit ihrer „Verbotsideologe“, der sich mittlerweile auch die CDU angeschlossen habe, von den Sorgen und Nöten der Menschen entfernt.

Auch FDP-Verkehrsexperte Jochen Haußmann sprach von einer neuen sozialen Härte im Land. Wenn Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) davon spreche, der Verkehr solle lediglich gesteuert und gelenkt werden, klinge das angesichts der Verbotspläne wie Hohn. Die Grünen machten bei den Kritikern faktenvergessene Stimmungsmache aus.

Die grün-schwarze Landesregierung hatte sich geeinigt, ab 2018 bei extrem hoher Schadstoffbelastung zentrale Straßen im Talkessel von Stuttgart für viele Diesel-Fahrzeuge zu sperren. Betroffen sind Fahrzeuge, die nicht die strengste Abgasnorm Euro 6 erfüllen. Die von der Landesregierung eigentlich bevorzugte blaue Plakette für schadstoffärmere Autos ist wegen der ablehnenden Haltung des Bundes keine Option.

Vorwurf der Panik-Politik

Nach Meinung des AfD-Abgeordneten Bernd Gögel fehlen für Bürger Planungs- und Rechtssicherheit: „Als Landesregierung haben Sie sich von den Menschen im Land in eine künstliche Parallelwelt verabschiedet.“ Nur jedes zehnte Dieselfahrzeug entspreche der nach den grün-schwarzen Plänen für die Einfahrt an Feinstaubtagen erforderlichen Euro-6-Norm. SPD und AfD bezeichneten das Vorhaben unisono als „Rohrkrepierer“.

CDU-Mann Felix Schreiner warf der Opposition Panik-Politik vor, ohne eigene Lösungen für die Schadstoffproblematik zu präsentieren. Er und Redner von AfD und FDP unterstrichen, der Durchgangsverkehr müsse mit weiteren Straßen- und Schieneninfrastruktur-Maßnahmen aus der Stuttgarter Innenstadt verbannt werden. Verkehrsbeschränkungen seien keine Dauerlösung. Gögel sagte, Feinstaub schaffe man nicht mit Moos aus der Stadt. Unweit von Deutschlands schmutzigster Kreuzung am Stuttgarter Neckartor wird derzeit eine Mooswand installiert, die mit gesundheitsschädlichem Feinstaub belastete Luft reinigen soll.

Hier lesen Sie alles Wissenswerte rund um das Thema Feinstaub in Stuttgart

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) machte eine „neue populistische Allianz“ zwischen SPD, FDP und AfD aus, die sich allen Daten und Fakten verschließe. Er verwies auf die Gesundheitsbelastungen der Menschen durch Feinstaub: „Sie haben mehr den Diesel im Kopf als den Menschen.“ Dabei gehe es um Schutz vor krankmachendem Schadstoff.

Gericht zwingt die Stadt zum Handeln

Sein Fraktionskollege Hermann Katzenstein ergänzte: „Das ist die soziale Frage.“ 2013 seien 84 000 Menschen wegen Feinstaub und Stickoxiden vorzeitig gestorben, ein Vielfaches der jährlichen Zahl der Verkehrsopfer. Die Landesregierung habe handeln müssen - „sonst hätten das die Gerichte getan“. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagt am Verwaltungsgericht Stuttgart auf ein Fahrverbot für alle Diesel, um die Luft nachhaltig zu verbessern. In Düsseldorf hatte die DUH damit schon Erfolg.

Hermann erinnerte daran, dass seit 2005 Grenzwerte für Feinstaub gelten, aber nicht eingehalten werden. Die Stickoxid-Grenzwerte würden seit 2010 überschritten und seien doppelt so hoch wie erlaubt. Am Neckartor seien Ende Februar schon 32 von erlaubten 35 Tagen registriert worden, an denen der zulässige Grenzwert innerhalb eines Jahres überschritten werden darf. Der Feinstaubalarm mit freiwilligem Verzicht auf das Auto habe nur eine Verkehrsreduktion von acht Prozent gebracht. Gerichtlich habe sich das Land aber verpflichtet, für 20 Prozent weniger Verkehr am feinstaubgeplagten Neckartor zu sorgen, wenn die Werte nicht besser werden.