Von diesem Freitag an zücken Polizei und städtische Verkehrsüberwachung bei alten Dieseln unter Euro 5 den Block mit den Strafzetteln. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Stickstoffdioxid-Belastung in Stuttgart ist zu hoch. Fahrer alter Diesel müssen daher mit einem Bußgeld rechnen. Bislang gab es nur Verwarnungen, doch jetzt wird kassiert.

Stuttgart - In Stuttgart ist die Belastung mit dem Luftschadstoff Stickstoffdioxid vergangenes Jahr nur wenig zurückgegangen. Das Umweltbundesamt listet die Landeshauptstadt mit ihrer Messstelle am Neckartor und 71 Mikrogramm im Jahresmittel (2017: 73) wieder auf Platz 1 der betroffenen Städte. Auf den Plätzen folgen München, Kiel und Köln. Auch Reutlingen (53) und Ludwigsburg (50) liegen deutlich über dem EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm.

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Wo werden die Werte gemessen?

In der jüngsten Debatte über die Diesel-Fahrverbote geriet die Lage der Messstelle am Neckartor in die Kritik. Sie soll, wie bundesweit 25 solcher Anlagen, bis Jahresmitte auf ihre Konformität mit den gesetzlichen Vorgaben überprüft werden. Womöglich macht das der Tüv Rheinland. Auch die Anlagen an der Hohenheimer Straße (2018: 65 Mikrogramm) und am Klett-Platz (46) werden gecheckt. Die Landesanstalt für Umwelt und Messungen (LUBW) hatte 2018 ansonsten noch Stationen in Bad Cannstatt, an der Waiblinger Straße, im Stadtgarten und an der Hauptstätter Straße (49) in Betrieb. 2015 wurden von der LUBW zudem an fünf weiteren Standorten so genannte Passivsammler installiert, um die Gesamtsituation in der Stadt besser beurteilen zu können.

Ist die Luft überall schlecht?

Durchaus nicht. Die Luftqualität wird insgesamt immer besser. 2018 konnte zum Beispiel auch am Neckartor erstmals der Feinstaub-Grenzwert eingehalten werden. Allerdings herrscht nicht nur an den Messstellen dicke Luft. Laut gutachterlicher Berechnung, die das Land in Auftrag gegeben hatte, wird der Stickstoffdioxid-Grenzwert in diesem Jahr noch an rund 22 Kilometer stark verkehrsbelasteter Straßen im Stadtgebiet überschritten werden.

Was wird aus dem Fahrverbot?

Angesichts der fortdauernden Überschreitung des EU-Grenzwertes gibt es an dieser Stelle keine Entwarnung. Diesel bis einschließlich Euro 4 dürfen seit dem 1. Januar nicht mehr nach Stuttgart einfahren, die Stuttgarter selbst werden vom 1. April an betroffen sein.

Im Herbst will die Landesregierung anhand der aktuellen Entwicklung entscheiden, ob 2020 auch Euro-5-Diesel aus dem Stadtgebiet ausgesperrt werden. Dazu müsste der Grenzwert in erreichbarer Nähe sein. Alternativ könnten Euro-5-Diesel eine Hardware-Nachrüstung erhalten. Wenn sie dann nicht mehr als 270 Milligramm Stickstoffdioxid pro Kilometer emittieren, wären sie vom Verbot befreit. Viele Euro-5-Diesel sind übrigens beim Stickstoffdioxid deutlich schlechter als ihre Euro-4-Vorgänger.

Warum ein Verbot für die ganze Stadt?

Das Fahrverbot gilt mit Ausnahme wenige r Straßenabschnitt in der ganzen Stadt. Grundlage ist die sogenannte Umweltzone, die vor Jahren bei Einführung der Plaketten geschaffen wurde. Für die Verhandlung des Luftreinhalteplans vor dem Verwaltungsgericht hatte die Landesregierung überprüft, was ein nur streckenweises Fahrverbot bringen würde. Da Stuttgart nicht wie zum Beispiel München über ein Ringstraßensystem verfügt, ergäbe sich bei Streckensperrungen eine Verdrängung der Fahrzeuge, die in umliegenden Straßen zu zu hohen Stickstoffdioxidwerten führen würde. Das Problem ein paar Straßen weiter zu schieben ist gesetzlich nicht zulässig.

Wann droht ein Bußgeld?

Die ersten vier Wochen bis zum 1. Februar haben die Polizei und die städtische Verkehrsüberwachung als Übergangszeit definiert. Wer im Januar noch mit einem Diesel der Euronorm 4 oder schlechter unterwegs war, wurde an das Fahrverbot erinnert, musste aber kein Bußgeld bezahlen. „Am 1. Februar endet diese Schonfrist“, sagt die Polizeisprecherin Monika Ackermann. Wer nun bei einer Kontrolle erwischt werde, müsse 80 Euro zahlen. „Dass es das Dieselfahrverbot gibt, weiß man inzwischen auch weit außerhalb von Stuttgart, die Phase der Nachsicht und der Erklärungen geht daher zu Ende“, so Polizeisprecher Stefan Keilbach.

Wird extra kontrolliert?

Nein, wie bislang werde die Polizei keine eigenen Kontrollen für das Fahrverbot ansetzen. „Das läuft im Rahmen der allgemeinen Verkehrskontrollen“, erläutert Ackermann, also zum Beispiel bei Tempo-, Handy-, Gurt- oder Alkoholkontrollen. Wenn dann beim Blick in die Fahrzeugpapiere auffalle, dass es sich um einen alten Diesel handele, gehe eine Meldung an die Stadt und der Halter muss bezahlen.

Was macht die Stadt?

Sie kontrolliert den ruhenden Verkehr. Bei einem „optischen Anfangsverdacht“ wird ein Foto gefertigt. Die Bußgeldstelle überprüft dann die Schadstoffklasse des Fahrzeugs bei der Halterabfrage gleich mit. Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, die nicht im automatisierten Verfahren bearbeitet werden, erfolgt ebenfalls die Kontrolle der Euronorm.

Wie steht es mit den Ausnahmen?

Wer nicht unter die pauschalen Ausnahmen fällt, kann eine Genehmigung zentral bei der Landeshauptstadt beantragen (verkehrsverbot@stuttgart.de). Anfragen werden in der Jägerstraße 14 oder telefonisch (0711/216-3 21 20) beantwortet. Bis zum 31. Januar lagen 7354 Anträge auf Ausnahmegenehmigung vor (2770 Stuttgarter, 4584 Auswärtige), davon wurden 1893 genehmigt und 2588 abgelehnt.