Die Dieselfahrer aus Stuttgart Susanne Knecht, Norbert Kirn und Gudrun Bertuleit (v.l.) berichten, was sie mit ihrem Dieselfahrzeug machen, wenn ab 2019 das Fahrverbot gilt. Foto: Lichtgut

Das Dieselfahrverbot in Stuttgart, das von April an auch für Stuttgarter gilt, ist längst beschlossen. Doch was bedeutet das eigentlich für die Betroffenen? Drei Dieselfahrer aus der Stadt berichten.

Stuttgart - Von Januar 2019 dürfen Auswärtige, die einen Euro-4-Diesel fahren, nicht mehr nach Stuttgart fahren. Von April an gilt das Fahrverbot dann auch für Stuttgarter. Was das für die Betroffenen bedeutet und wie sie damit umgehen, haben uns beispielhaft eine Schulsozialarbeiterin, ein pensionierter Gymnasiallehrer und eine freiberufliche Übersetzerin erzählt.

„Gleich muss ich heulen, mein schönes Auto“

Susanne Knecht parkt flott in die Reihe der freien Plätze vor den Mehrfamilienhäusern in der Birkacher Welfenstraße ein. „Das gute Stück, gleich muss ich heulen, mein schönes Auto!“, sagt die Schulsozialarbeiterin, und schließt schwungvoll die Fahrertür. Über den dicken Kratzer auf der Beifahrerseite sieht sie großzügig hinweg: „Ich hänge da nicht dran, Hauptsache, der Wagen fährt.“

Allerdings nicht mehr lange, am 1. April 2019 ist auch für die Stuttgarter Schluss mit Selbstzündern der Euronorm 4. „Ich habe gegen jede Vernunft gehofft, dass das Fahrverbot nicht das ganze Stadtgebiet trifft, jetzt muss ich mich umsehen“, geht die 55-Jährige mit sich ins Gericht. „Dabei hasse ich Autokäufe“, sagt Knecht. Der letzte war eben jener gebrauchte Renault Kangoo im Jahr 2012. Inzwischen stehen 150 000 Kilometer auf der Uhr.

Dass die Luftqualität in Stuttgart besser werden muss, würde Knecht unterstreichen, das gelte aber auch für das Bus- und Bahnangebot und die Fahrpreise. „Für viele ist das keine Option“, findet sie. Weil sie in Scharnhausen und an einer weiteren Schule arbeitet und den Platz tagsüber wechseln muss, benötigt sie ein Fahrzeug. Der Nachfolger soll für den Radtransport und Campingurlaub so flexibel nutzbar sein wie der Kangoo, das steht fest. Die Abkehr vom Diesel auch, denn in den „habe ich kein Vertrauen mehr“, sagt Knecht.

Fahrverbot beschert künftig Umwege

Ich bin gottfroh, dass ich vom Fahrverbot nicht so betroffen bin wie die Leute in Stuttgart“, sagt Norbert Kirn, und weist beim Empfang vom Eingang seines Hauses in Weissach im Tal auf die andere Straßenseite, wo ein roter VW-Bus T 5 parkt. „Der Bus bleibt“, sagt der pensionierte Gymnasiallehrer, der viele Jahre nach Backnang pendelte, allerdings im Omnibus. „230 000 Kilometer, 131 PS, zehneinhalb Jahre alt, Euro 4“, nennt Kirn die Daten seines Gefährts wie im Schlaf. Die letzte Kennzahl bereitet ihm keine unruhige Nächte, wird ihm aber künftig manchen Umweg bescheren. „Mein Sohn wohnt in München, wenn wir den besuchen, fahre ich bisher ins Neckartal auf die B 14. Künftig muss ich über alle Dörfer Richtung Aichelberg. Im Prinzip verpeste ich die Luft wahrscheinlich mehr als zuvor“, so der 70-Jährige. Der Landeshauptstadt fehle eine vernünftige Umfahrung.

Kirn vermisst nicht nur einen Straßenring um Stuttgart, sondern auch eine verlässliche S-Bahn. Seine Frau arbeitet in der Landeshauptstadt. Beim Umstieg von der Schiene auf den Bus in Backnang sei dieser oft schon weg. „Die S  3 ist besonders unpünktlich, ganz schlimm“, so Kirn. Er nutzt sie dennoch, „weil ich nicht im Stau stehen will“. Sein Alltagswagen bleibt der Bus, der auch als Umzugs- und Urlaubsfahrzeug für die drei Kinder unschlagbar sei. Wenn ein neuer käme, dann nur mit neuester Euronorm, „da lasse ich mich auf nichts ein“, sagt Kirn zum Abschied auf der Treppe.

„Die Diesel-Kunden sind hinters Licht geführt worden“

Schick steht er da, kein Kratzer im Lack, keine Beule im Blech. Auch nach zehn Jahren im Einsatz als Familienauto macht der Peugeot 807 der Familie Bertuleit aus Heumaden eine gute Figur. Auf den Laufsteg darf das Euro-4-Dieselmodell ab April dennoch nicht mehr. „Das ist ein sparsames Auto, wir wollten es erst mal behalten, obwohl die Kinder aus dem Haus sind“, sagt Gudrun Bertuleit mit Wehmut in der Stimme.

Irgendwann, das hatten sich die freiberufliche Übersetzerin und ihr Mann vorgenommen, sollte ein kleinerer Wagen den Van ablösen, „aber jetzt wird uns das durch die Entscheidung für das Fahrverbot aufgezwungen“, sagt die 60-Jährige. Während die Konzerne geschont würden, im Grunde nichts zu befürchten hätten, „sind die Diesel-Kunden hinters Licht geführt worden und werden jetzt im Regen stehen gelassen, wir sind das letzte Rad am Wagen“, ärgert sich Bertuleit.

Ihr Mann hat, um seinen Hausmeisterdienst weiter betreiben zu können, seinen alten Ford-Bus gegen einen Bus mit länger fahrtauglicher Norm getauscht. Das war nicht geplant. Mit dem alten Peugeot hat Bertuleit einige Händler abgeklappert. Die Bilanz ist ernüchternd. „Bei Peugeot gibt es keinen Cent für den Wagen, die wollen ihn gar nicht, der Nissan-Händler hat uns 1500 Euro angeboten, Renault wollte mir einen 30 000 Euro teuren Scenic verkaufen, das geht nicht.“