Greenpeace-Aktivisten haben am Freitag ein Banner auf dem Bahnhofsturm angebracht. Sie fordern bessere Luft. Foto: dpa

Die Fahrverbots-Debatte hat im Landtag ein neues Niveau erreicht. Im Sitzungssaal wurde FDP-Fraktionschef Ulrich Rülke persönlich.

Stuttgart - Voraussichtlich kommende Woche wird das Stuttgarter Verwaltungsgericht über die von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) beantragte Zwangsvollstreckung zum Diesel-Fahrverbot entscheiden. Dem Kläger DUH geht das, was die grün-schwarze Regierung für den Luftreinhalteplan vereinbart hat, nicht weit genug.

Zwar soll es vom 1. Januar 2019 an in ganz Stuttgart ein Diesel-Fahrverbot bis einschließlich Euronorm 4 geben, die Stuttgarter selbst sollen aber bis 31. März befreit sein. Die DUH hält diese Auslegung des Grundsatzurteils des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig für rechtswidrig und erkennt beim Land eine Verzögerungstaktik. Bei Euro 4 bedürfe es weder Übergangsfristen noch Ausnahmen.

Keine Aussage zu Euro-5-Dieseln

Zu Euro-5-Dieseln, die teils mehr Stickstoffdioxid ausstoßen als Euro-4-Fahrzeuge, macht die Regierung im neuen Plan keine Aussage. Dabei haben die Leipziger Richter ein Fahrverbot für Euro 5 vom 1. September 2019 an zugelassen – außer man käme dem EU-Grenzwert für den Luftschadstoff bis dahin sehr nahe. Dieses Wunder schließt ein Gutachten für das Land aber aus. Leipzig bestätigte damit in allen wesentlichen Punkten das Urteil der ersten Instanz aus Stuttgart.

Die Fahrverbots-Debatte hat im Landtag in dieser Woche ein neues Niveau erreicht. Im wohltemperierten Sitzungssaal wurde FDP-Fraktionschef Ulrich Rülke (laut SWR nennen ihn manche „Brüllke“) persönlich. Der Stuttgarter Fahrverbots-Richter habe „Allmachtsfantasien“, zeterte Rülke, er maße sich an, Urteile zu interpretieren. „Das muss man sich mal vorstellen, ein einfacher Verwaltungsrichter interpretiert die Urteile eines obersten Gerichts!“, polterte Rülke abschätzig, und schob einen Satz nach, der wie eine Drohung klingt: „Manche in der dritten Gewalt täten gut daran, die erste Gewalt zu respektieren!“. Die CDU, schloss Rülke, sei gegen das „seltsame Urteil“ nicht in Berufung gegangen.

Gericht kommentiert Rülke nicht

Die Richterschelte sollte Wolfgang Kern treffen. Kern muss gemeinsam mit zwei weiteren Berufsrichtern über den Fortgang beim Thema Fahrverbote entscheiden. Das Thema ist laut Geschäftsverteilungsplan in seiner Kammer verortet. Beim Verwaltungsgericht hält man sich zu Rülkes verbaler Attacke zurück: „Das Gericht will solche Äußerungen nicht kommentieren“, heißt es aus der Pressestelle knapp.

Einordnungen nehmen dagegen Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz und DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch vor. Rülke rufe zum Rechtsbruch auf, das sei Wasser auf die Mühlen von Populisten, sagte Andreas Schwarz, und weiter, direkt zu Rülke: „Gut, dass Sie und Ihre Partei nichts zu sagen haben, denn Sie wären eine Gefahr für den Rechtsstaat.“

Resch nennt Rülkes Angriff „unterirdisch“. Wenn Entscheidungen von Gerichten nicht mehr akzeptiert würden, „steigen wir in eine Politik wie in Polen und Ungarn ein“, so der Umweltschützer.