Radfahrern in der Stadt soll Spaß machen und sicher sein Foto: dpa

Baden-Württemberg hat im bundesweiten Fahrradklimatest des ADFC den zweiten Platz belegt. Bei den großen Städten landeten Karlsruhe und Freiburg auf den Plätzen 2 und 3. Es gibt allerdings riesige Unterschiede im Land, für einige Kommunen spielen Fahrradfahrer praktisch keine Rolle.

Berlin/Stuttgart - Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) hat am Donnerstag in Berlin die Preisträger des sechsten Tests zum Fahrradklima in den Kommunen gekürt. Mehr als 100 000 Radfahrer beurteilten anhand von 27 Fragen, wie fahrradfreundlich ihre Stadt oder Gemeinde ist. Insgesamt haben 468 Städte und Gemeinden die Mindestteilnehmerzahl erreicht und landeten so in der offiziellen Wertung. In diesen Städten leben 40 Millionen Einwohner – die Hälfte aller Bundesbürger.

Bundesweiter Spitzenreiter bei den großen Städten mit mehr als 200 000 Einwohnern ist erneut Münster. Direkt dahinter rangieren Karlsruhe und Freiburg, die beiden Städte haben gegenüber dem vergangenen Test 2012 die Plätze getauscht. Die Landeshauptstadt landete im bundesweiten Vergleich unter 39 Großstädten abgeschlagen auf Rang 28. Und doch gehörte sie am Donnerstag zu den Preisträgern. Stuttgart ist nach Wuppertal und Augsburg der Aufsteiger des Jahres bei den Großstädten. „Die Stadt bewegt sich und hat große Pläne“ sagt zur Begründung Gudrun Zühlke, die ADFC-Landesvorsitzende. „Es geht den Radlern zwar zu langsam, aber sie sind doch zufrieden“, stellt Zühlke fest.

Ähnlich sieht es in der Gruppe der Städte mit 100 000 bis 200 000 Einwohnern bei Heilbronn aus, das nach Göttingen bundesweit den größten Sprung nach vorne gemacht hat. „Heilbronn strengt sich wirklich an“, bestätigt Zühlke. In derselben Gruppe rangiert aber auch Reutlingen, das von den Radfahrern noch weiter abgewatscht worden ist als 2012 und auf Platz 34 von 37 Städten landete. „Reutlingen ist tatsächlich die einzige Stadt, die nicht sagt, sie wolle fahrradfreundlich werden“, so Zühlke. Noch einen Punkt dahinter rangiert Pforzheim, allerdings mit deutlicher Verbesserung gegenüber 2012. „Dort ist die Situation sehr schwierig, aber es wird wirklich was getan“, lobt die ADFC-Vorsitzende. So sei ein gemeinsamer vier Meter breiter Streifen für Omnibusse und Radfahrer angelegt worden.

In der Gruppe der Städte mit 50 000 bis 100 000 Einwohnern ist Baden-Württemberg stark. Tübingen und Friedrichshafen sind bundesweit auf Rang sechs und sieben und konnten sich gegenüber 2012 weiter verbessern. Offenburg ist auf Platz 15, verlor gegenüber 2012 aber Punkte. Dies liege offenbar an Meinungsverschiedenheiten dort zu abgesenkten Bordsteinen, so Zühlke. Weil nachweislich die Unfallzahlen bei flachen Bordsteinen zurückgingen, senkte die Stadt diese ab. Es gebe aber einige Radler, die sich auf Radwegen mit hohem Bordstein sicherer fühlten und die Maßnahme schlecht beurteilen. Landesweite Schlusslichter in dieser Gruppe sind Esslingen (Platz 89 von 100) und Villingen-Schwenningen (Platz 86). In der Gruppe der Städte bis 50 000 Einwohner nimmt den unrühmlichen letzten Platz Vaihingen an der Enz ein. Dort ist – wie Gudrun Zühlke weiß – ein Streit über die Nutzung einer alten Bahntrasse ausgebrochen. Weil die Stadt dem Wunsch der Radfahrer nicht nachkommt, sie als Radweg auszubauen, komme offenbar die schlechte Wertung zustande. Spitzenreiter ist in dieser Gruppe Filderstadt, gefolgt von Lörrach. Die drei Städte dahinter – Kirchheim unter Teck, Bietigheim-Bissingen und Tettnang – gehören zu den Aufsteigern. Und auch Leonberg im Mittelfeld schaffte gegenüber 2012 einen deutlichen Sprung nach vorne.

Der ADFC will die Kommunen künftig regelmäßig alle zwei Jahre testen. Von den Teilnehmern haben 94 Prozent einen Führerschein, nur 16 Prozent sind ADFC-Mitglied: „Wir machen also keine Mitgliederbefragung“, so Zühlke. Die Antworten liefern Stadtplanern und Ordnungsämtern Hinweise. So sind es oft nicht der Zustand der Radwege oder das Netz, die anecken. Kritisiert wird auch, dass Falschparker auf Radwegen zu selten kontrolliert würden oder die Führung an Baustellen miserabel sei. Auch Ampelschaltungen für Radler werden häufig moniert. Durchweg am besten beurteilt werden die Erreichbarkeit der Stadtzentren und die Möglichkeit, zügig Rad zu fahren.

Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, sagte bei der Preisverleihung in Berlin: „Die Fahrradfreundlichkeit ist auch ein guter Gradmesser für die Lebensqualität einer Stadt. Wir können den Anteil des Radverkehrs weiter erhöhen, wenn sich Radfahrerinnen und Radfahrer gut und sicher im Straßenverkehr fühlen. Der Fahrradklima-Test gibt genau darüber Aufschluss.“

In Karlsruhe gab es nach der Preisverleihung strahlende Mienen: „Wir freuen uns sehr, dass wir so gut abgeschnitten haben“, sagte Johannes Schnell vom Stadtplanungsamt. Karlsruhe habe sich schon vor Jahren vorgenommen, bis zum 300. Stadtgeburtstag in diesem Jahr die fahrradfreundlichste Großstadt in Süddeutschland zu werden. Ein Schwerpunkt der Weiterentwicklung des Radverkehrs sei jetzt die Öffnung von Einbahnstraßen in Gegenrichtung. Damit hätten andere Städte wie Frankfurt bereits gute Erfahrungen gemacht. „Unser Ziel ist aber nicht nur, den Anteil des Radverkehrs zu erhöhen, sondern ihn auch sicherer zu machen.“