Fahrraddiebe auf dem Vormarsch – nicht nur draußen an Abstellplätzen, sondern auch in Garagen und Fachgeschäften. Foto: dpa

Sie knacken Garagen und plündern Fachgeschäfte: Bei professionellen Diebesbanden werden hochwertige und hochpreisige Fahrräder offenbar immer beliebter. Landesweit haben die Fälle einen neuen Höchststand erreicht. Und das ist kein Zufall.

Stuttgart - Anfangs hätte es noch Zufall sein können. Als das Orbea Keram Max, ein Elektro-Mountainbike im Wert von 3400 Euro, in der Lenbachstraße auf dem Killesberg aus einer Garage verschwand, konnten die Ermittler noch glauben, dass Diebe nur eine günstige Gelegenheit ergriffen hatten. Inzwischen aber ist klar, dass professionelle Banden in und um Stuttgart auf Beutezug sind. Es handelt sich um Täter, die auch mühevolle Einbrüche in Garagen und Geschäfte nicht scheuen und immer dreister werden.

Der Fall auf dem Stuttgarter Killesberg ist besonders. Nicht nur, weil die Täter sich große Mühen gaben, um das elektrische Garagentor zu überwinden. „Offenbar wurde die Elektrik kurzgeschlossen und überbrückt“, sagt Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. Besonders ist der Fall auch deshalb, weil die Täter nur zwei Wochen später erneut auftauchten. Die Besitzer hatten sich ein neues E-Bike zugelegt, und das war den Unbekannten offenbar nicht entgangen. Wieder drangen sie in die Garage ein – und erbeuten ein Haibike Xduro Cross für 3700 Euro. „Keine Spuren, keine Beobachtungen, keine Hinweise“, sagt Tomaszewski.

Ist ein Fundstück am Tatort die heiße Spur?

Es geht nicht um das Gebrauchsfahrrad vom Ständer am S-Bahnhof – sondern um hochwertige Beute. Die Fälle häuften sich im August und September in Stuttgart und der Region. Dazu gehört ein Einbruch in ein Fahrradgeschäft an der Löffelstraße in Degerloch. In der Nacht zum 24. August hatten Einbrecher sechs Kundenfahrräder im Wert von 15 000 Euro gestohlen. Zurück blieb ein verdächtiges Textil. „Ob das Fundstück am Tatort einem Täter oder einem Kunden gehört, konnte noch nicht geklärt werden“, sagt Polizeisprecher Tomaszewski.

Während die Stuttgarter Polizei noch im im Dunkeln tappt, sind die Ermittler in den benachbarten Kreisen Böblingen und Ludwigsburg etwas weiter. Ein Tag nach dem Einbruch in Degerloch ging auf der A 6 im oberpfälzischen Leuchtenberg ein Transporter ins Netz der bayerischen Polizei. Zwei 27 und 44 Jahre alte Männer aus Ungarn hatten 15 Elektrofahrräder und Mountainbikes dabei. Der Wert: fünfstellig. „Zehn Räder waren in Vaihingen/Enz gestohlen worden“, sagt Polizeisprecherin Tatjana Wimmer. Zwei stammten aus Karlsruhe. Die zuständige Staatsanwaltschaft setzte die Beschuldigten wieder auf freien Fuß.

Viele Täter sind von der Puszta angereist

Die Männer stammen aus dem Nordosten Ungarns, der Region Nördliche Tiefebene, ein Naturparadies, wirtschaftlich ein Niemandsland. Seltsamerweise fallen Menschen aus dieser Gegend immer wieder mit gestohlenen Fahrrädern auf – und das seit Monaten. Beamte des Polizeipräsidiums Karlsruhe machten letztes Jahr einen großen Fang, als sie eine Gruppe von Ungarn beim Verladen von Fahrrädern dingfest machte. Diese hatten 36 hochwertige Räder dabei – sieben davon stammten aus Garagen in Weil im Schönbuch (Kreis Böblingen). Zwei Nächte später hatten sie in Rutesheim auf die gleiche Weise zugeschlagen und 17 Fahrräder erbeutet. Fünf Beschuldigte kamen wieder auf freien Fuß, weil ihnen der Diebstahl selbst nicht nachzuweisen war. Die 27 bis 47 Jahre alten Männer stammen aus einem 2000-Einwohner-Ort in der Puszta, etwa 30 Kilometer entfernt vom Heimatort des Duos, das vor wenigen Wochen auf der A 6 in der Oberpfalz gefasst worden war.

Hoher Schaden in Fachgeschäften

Das ist auch für die Karlsruher Polizei interessant – deren Landkreis von den Tätern offenbar gleichzeitig mit den Kreisen Ludwigsburg und Böblingen ins Visier genommen wird. Im Sommer 2016 wurden im badischen Stutensee drei Ungarn im Alter von 19, 20 und 24 Jahren erwischt, die ein Diebeslager mit aus Garagen gestohlenen Fahrrädern errichtet hatten. Dieses Trio stammte ebenfalls aus der Puszta. Ihr Heimatort liegt nur sieben Kilometer vom Wohnort jener Gruppe entfernt, die in Rutesheim und im Schönbuch zugeschlagen hatte.

Völlig im Dunkeln tappt die Polizei indes bei den Einbrüchen in Fachgeschäfte. Nicht nur in Degerloch, auch eine Woche davor bei einem Händler in Löchgau (Kreis Ludwigsburg) mit 25 000 Euro Schaden. „Keine Hinweise, keine Zeugen“, sagt Polizeisprecherin Wimmer. Gleiches gilt für ein Geschäft in Weil der Stadt (Kreis Böblingen) im Mai, in Sachsenheim (Kreis Ludwigsburg) im März mit 50 000 Euro Beutewert. Den schlimmsten Fall gab es im Mai in Fellbach (Rems-Murr-Kreis). Der neue Laden bekam kurz nach seinem Umzug von Untertürkheim ungebetenen Besuch. Am Ende fehlten Fahrräder im Wert von 150 000 Euro.