Das weiße Velo erinnert an den 80-jährigen Radfahrer, der am 22. Juni starb. Foto: privat

Zum Andenken an einen tödlich verunglückten Radfahrer stellen die Teilnehmer von Critical Mass am Unfallort ein Ghost Bike auf. Die öffentliche Trauerfahrt auf Velos startet am Freitag um 18.30 Uhr am Stuttgarter Feuersee.

S-West - Die Radfahrer-Initiative Critical Mass lädt am Freitagabend zur Geisterfahrt ein. Die gemeinsame Ausfahrt zum Gedenken an einen Verkehrstoten – zu Neudeutsch: „Ghost Bike Ride“ – startet um 18.30 Uhr am Feuersee. Die Trauerfahrt wird auch verstanden als Erinnerung daran, dass Radfahrer gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer sind. Wird dies nicht beherzigt, kann das tragische Folgen haben.

Die Teilnehmer gedenken eines 80 Jahre alten Pedelec-Fahrers, der am 22. Juni dieses Jahres in einem Stuttgarter Krankenhaus an den Folgen eines Verkehrsunfalls gestorben ist. Der Radfahrer war in Weilimdorf in einem Kreisverkehr von einem Mercedes erfasst worden. Die Autofahrerin hatte den von links kommenden, im Kreisverkehr fahrenden Mann auf dem Pedelec, übersehen. Bei dem Sturz hatte sich der 80-Jährige trotz Fahrradhelms schwerste Kopfverletzungen zugezogen.

Recherche nach Toten

Die Teilnehmer werden vom Feuersee aus nach Weillimdorf radeln. Die Fahrtzeit beträgt etwa eine Stunde, schätzt Bertram Wohlfahrt, einer der Organisatoren. In dem Kreisverkehr an der Landauer- /Deidesheimer Straße wollen sie ein sogenanntes Ghost Bike aufstellen. Das weiß lackierte Fahrrad soll als Erinnerung an den Toten und als Mahnung für die Lebenden dienen. „Wir veranstalten jedes Jahr einen Gedenktag. Dieses mal wollten wir zu einem Ghost Ride einladen“, sagt Wohlfahrt.

Er hat im Vorfeld bei der Polizei nachgehakt und sich nach der Unfallstatistik erkundigt. „Fahrradtote gibt es in Stuttgart Gott sei Dank relativ wenige. In der Umgebung von Stuttgart sind es schon mehr. Der 80-jährige Mann war der erste seit Jahren, der durch fremdes Verschulden ums Leben gekommen ist.“ Allerdings lag auch hier die Unfallstelle außerhalb der Stadt. Den Leuten von Critical Mass geht es jedoch weniger darum, auf die Gefährlichkeit einer bestimmten Stelle hinzuweisen, als vielmehr darum, das Bewusstsein für Fahrradfahrer zu schärfen – sowohl bei anderen Verkehrsteilnehmern, als auch bei denjenigen, die Radwege und Straßen planen.

Ein neues Ritual

Bei Critical Mass schließen sich regelmäßig Fahrradfahrer zu einer Gruppe zusammen, die dann als imposante Menge durch die Stadt radelt und zwangsläufig eigenen Platz im Straßenverkehr beansprucht. „Man kann diese Aktionsform getrost als Gegenbewegung zur alltäglichen Blechlawine auf Stuttgarts Straßen begreifen – und als Feier für das Verkehrsmittel Fahrrad“, schreibt die Initiative auf ihrer Homepage. Langfristiges Ziel der Aktivisten ist es, den Verkehrsraum für Radfahrer zurückzugewinnen. Der Ghost Ride am Freitag ist gleichsam eine Form, auf der Straße Präsenz zu zeigen.

Die Idee, ein weiß getünchtes Rad am Unfallort zur Mahnung aufzustellen, stammt ursprünglich aus den USA. Angelehnt ist der relativ junge Ritus, der laut Wikipediaeintrag erstmals im Jahr 2003 in St. Louis (Missouri) praktiziert wurde, an die Tradition, an Unfallorten der Toten mit Kreuzen und Blumen zu gedenken. In Deutschland wurden die ersten Ghost Bikes 2009 in Berlin aufgestellt. Laut Bertram Wohlfahrt ist das Rad, das Critical Mass am heutigen Freitagabend aufstellen wird, das erste in Stuttgart.