Fahri Yardim und Til Schweiger gehen am Sonntag um 20.15 Uhr wieder auf Verbrecherjagd Foto: dpa

Der erste „Tatort“ aus Hamburg mit Til Schweiger und Fahri Yardim brach in Sachen Quote alle Rekorde. Im Interview spricht Yardim über seine Rolle als Assistent von Nick Tschiller.

Der erste „Tatort“ aus Hamburg mit Til Schweiger und Fahri Yardim brach in Sachen Quote alle Rekorde. Im Interview spricht Yardim über seine Rolle als Assistent von Nick Tschiller.

Herr Yardim, Nick Tschiller war 2013 der „Tatort“-Kommissar mit den meisten Toten.
Das überrascht mich nicht.
In seinem zweiten Fall verliert man so ab der zehnten Leiche den Überblick . . .
Schwer zu zählen, stimmt. Aber das macht doch nichts. Unser Krimi ist eben nicht der übliche Mordfall von früher, wo die reiche Erbtante in Blankenese mit dem Kronleuchter erschlagen wird; hier geht es um einen Kiezkrieg mit Clanstrukturen. Und was soll denn das für ein Krieg sein mit einem Toten?
Aber gefühlte 20 in eineinhalb Stunden?
Wir sind ja weder eine Polizeidokumentation noch naturalistisches Erzählkino. Wer einen Krimi so comicartig anlegt wie Christian Alvert, darf schon larger than life sein.
Darf man trotz humorfreier Dramatik lachen über Stunts wider alle Naturgesetze?
So dieses Hassudasgesehn-Schenkelklopflachen? Logisch, gehört doch dazu. Ohne diese Distanz zur Realität sollte man sich besser all die tollen Sachfilme ansehen. Macht auch Spaß, und Genre-Kino kann man mit einem ständigen Realitätsabgleich nicht genießen.
Ist dieses Genre-Kino überhaupt noch Krimi?
Actionkrimi. Es wird ja trotz aller Action weiter ermittelt. Sicher sind wir auf der Farbpalette des „Tatorts“ eher der grellere Ton, aber das belegt doch nur die Vielfalt des Formats. Bei der Bambi-Verleihung kamen mal fast alle Ermittler zusammen, das war wie ein Klassentreffen: Es gab die ernsthaften Mitschüler aus Köln, die Zwillinge aus München, die Klassenkasper aus Münster, die Klassenbeste aus Hannover, und wir waren eben die Rabauken aus der letzten Reihe, die ständig mit Papierkugeln schießen.
In Kopfgeld sind es weit schärfere Geschosse. Ist das am Ende das Markenzeichen im Hamburger Kiezkrieg-„Tatort“ – die Zahl der Toten?
Mehr noch die Körperlichkeit, die Dynamik, die Inszenierung, die Kamera. In der Kombination hat es das mit dieser Geschichte in dem Medium hierzulande noch nie gegeben. Das ist großes Kino mit Fernsehmitteln. Wessen Sehgewohnheiten das verfehlt, guckt halt einen anderen „Tatort“, dafür gibt’s doch genug. Ich finde dieses Action-Fach großartig.
Auch als Zuschauer?
Und wie! Aber ich mag keine Eindeutigkeiten, sondern lass’ von der platten Komödie bis zum gediegenen Kammerspiel alles an mich ran. Wer immer nur Gräben aushebt, verlernt zu abstrahieren und kann nicht wie ich rausfinden, welchen Actionfilm er genießen kann und welchen er zum Kotzen findet.
Warum?
Weil Sie Ihr Augenzwinkern verlieren, keine Brüche zulassen und keine Süffisanz, für die ich ja in unserem „Tatort“ unter anderem zuständig bin. Das ist doch ein Brett.
Und erdet Till Schweigers ständigen Bruce-Willis-Blick mit Kiezhumor . . .
Ich steh’ auf seine Kraft, auch weil es mir den Kontrast anbietet, meine matrosenhafte Leichtigkeit kommt immer mit einem gewissen Fatalismus daher, das finde ich spannend. Yalcin Gümer ist so ein bisschen wie der Chirurg, der nach der OP seine Schere vermisst und sagt, oha, dann müssen wir die Fäden wohl durchbeißen. Diese komödiantische Erdung hilft ihm und anderen, die Ausweglosigkeit der Verhältnisse, in denen sie arbeiten, zu ertragen. Deshalb fand ich es erleichternd, wie Daniel Craig in seinem ersten Bond-Film gefoltert wird und seinen Peiniger bittet, weiter links zuzuschlagen, weil es da juckt. Wobei wir diese Mischung aus Ernst und Leichtsinn gar nicht voll ausschöpfen. Aber dafür kämpfe ich; dieses Element meines Spiels möchte schließlich auch geschaukelt werden.
Müssen Sie den Sprücheklopfer spielen?
Das ist schon gespielt, aber natürlich liegt der mir. Ich muss da nichts mühsam hervorkramen, sondern nur den Hamburger in mir rauslassen. Als ich dem einen im Knast eine Wanze unterjubeln will und frage: „Sach ma, wie talkst du eigentlich mit mir“ – dieses Lokalkolorit kannst du dir nur schwer anlernen, das kommt aus dem Inneren.
Versucht man Ihnen deshalb gern diese Alder-Digger-Rollen anzudrehen?
Leider nicht. Ich hatte davon vielleicht drei seit „Kebab Connection“, und das ist zehn Jahre her. Schubladen können tief sein. Aber meine öffnet sich gerade immer weiter, so dass ich mich freue, wieder mal einen wie den hier zu geben. Jeder hat in seinem Job Handgriffe, die er besser beherrscht. Yalcin geht mir gut von der Seele. Meine Schauspielausbildung war das Leben in Hamburg.
Aber schon auch die Schauspielschule . . .
Die auch, am Theater sogar, aber das würde ich nicht zu hoch hängen. Film lernt man ohnehin erst richtig beim Drehen.
Versucht man türkischstämmige Schauspieler wie Sie türkischstämmig zu besetzen?
In vielen Fällen leider schon. Und was noch schlimmer ist: Auf dieser Ebene ist das Angebot trotz aller Erfolge, das aufzubrechen, so dünn, dass Türken im Film noch immer entweder Gemüseverkäufer oder Kriminelle sind. Da hatte ich Glück, dass die entscheidenden Leute in mir eine Charakterlichkeit jenseits meiner Herkunft erkannt haben.
Welcher Name ist Ihnen lieber: der türkische Yalcin oder der deutsche Daniel, den Sie in der Komödie „Irre sind männlich“ spielen?
Daniel ist ein Liebessuchender, wie es ihn überall gibt. Der könnte auch Ching Lee heißen. Am Namen kann man keinen Charakter festmachen, und Migrationshintergrund heißt Hintergrund, weil er im Hintergrund ist. Er rückt in den Vordergrund, wenn meine Figur in gebrochenem Deutsch „Gürke verkaufe“ will. Das ist mir zu platt. Mir geht’s um die Geschichte einer Figur; wenn ich hier jetzt ’n Dicken schieben möchte, würde ich Philosophen zitieren, aber es geht auch einfach: Je tiefsinniger eine Rolle ist, desto unwichtiger wird die nationale Schublade.
Ihr Hintergrund ist also nicht mehr zu sehen?
Doch, guck mich doch mal an. Und er darf auch eine Rolle spielen. Wenn das interessant ist, würde ich gern alles Mögliche spielen, was mit irgendwelchen Hintergründen zu tun hat. Rein physiognomisch steht mir ja der gesamte Mittelmeerraum offen. Andererseits bin ich ein moderneres deutsches Gesicht. Ich werde seit 33 Jahren hier sozialisiert, und es sagt viel über denjenigen aus, der einen wie mich immer noch türkisch konnotiert. Wenn man mich fragt, wo kommst du her, sage ich: aus meiner Mudder.
Was hat die eigentlich gesagt, als Sie Schauspieler werden wollten?
Weil ich in unserer Dynastie der erste Schauspieler bin, hat sie wie mein Vater anfangs ein bisschen dran geknabbert. Der Deal war deshalb, dass ich auch ein bisschen studiere, Germanistik und Ethnologie. Dann ging’s.
Und was machen Sie, wenn Nick Tschiller alle Gangster in Hamburg abgeknallt hat?
Dann siedeln wir dort, wo noch welche sind.