K.-o.-Tropfen werden auch als Vergewaltigungsdroge bezeichnet. (Symboldbild) Foto: Adobe Stock

Eine Frau geht feiern und wacht Stunden später auf einem Bahnhof auf – ohne Erinnerung und mit Verletzungen am Unterleib. Waren K.-o.-Tropfen im Spiel?

Stuttgart - Eine Frau ist vermutlich in der Nacht zum Sonntag vergewaltigt worden, nachdem ihr ein Fremder K.-o.-Tropfen verabreicht hatte. Die Polizei sucht nun Zeugen. Gegen 20 Uhr feierte die 40-Jährige am Samstag auf der Hocketse des Christopher-Street-Days in Stuttgart am Schillerplatz. Sonst hat sie nur noch bruchstückhafte Erinnerungen an die Nacht, meldet die Polizei. Die Frau kam am Sonntag gegen 4 Uhr am Bahnhof in Oberesslingen zu sich – und bemerkte ihre Verletzungen am Unterleib. Ein Bahnmitarbeiter half ihr und brachte sie zurück in ihre Wohnung. Gegen 10.30 Uhr am Sonntag kam die Frau zum Polizeirevier in Esslingen und erstattete Anzeige.

Was sie noch wusste: Die Frau gab gegenüber der Polizei an, dass sie sich daran erinnerte, mit zwei Männern im Schlossgarten gewesen zu sein, die sie begrapschten. Später sei sie in einem Raum gewesen, in dem die Männer sich dann an ihr vergangen hätten. Das Opfer konnte auch noch eine ungefähre Beschreibung der Männer abgeben. Beides seien etwa 30 bis 40 Jahre alt gewesen. Einer sei mindestens 1,80 Meter groß und von sehr schlanker Statur gewesen. Er soll dunkle Haare und dunkle Augen haben. Der andere sei mit 1,60 Meter deutlich kleiner und von kräftig durchtrainierter Statur gewesen. Laut der Frau hätten die Männer serbisch oder kroatisch und gebrochen Deutsch gesprochen.

Die Substanz ist im Körper nicht lange nachweisbar

Der erste Verdacht der Ermittler hat sich bestätigt: Offenbar hatte jemand sich an der Frau sexuell vergangen, nachdem er sie mit K.-o.-Tropfen außer Gefecht gesetzt hatte. Darauf deuten alle Anzeichen hin. Die Substanz sei im Körper nur sehr kurze Zeit nachweisbar, „sie verflüchtigt sich sehr schnell“, sagt ein Sprecher der Polizei. Jedoch sei die Erklärung für das Tatgeschehen plausibel.

Ein Bahnmitarbeiter ist ein wichtiger Zeuge

Die Polizei sucht nun Zeugen, denen im Getümmel des Christopher-Street-Days zwei verdächtige Männer aufgefallen sind, die eine hilflos wirkende Frau vom Schillerplatz in den Schlossgarten brachten. Auch Passagiere, die in der S-Bahn zwischen Stuttgart und Oberesslingen beziehungsweise an einer der Haltestellen zwischen Samstagabend und Sonntagmorgen etwas Verdächtiges beobachtet haben, werden gebeten, sich zu melden. „Ein wichtiger Zeuge ist für uns auch der Bahnmitarbeiter, der der Frau in Oberesslingen geholfen hat“, sagt der Polizeisprecher. Hinweise nimmt die Kriminalpolizei unter der Nummer 0711/8990-5778 entgegen.

Die gefährliche Substanz, um die es in dem Fall höchstwahrscheinlich geht, heißt Gamma-Butyrolacton, kurz GBL. Man nennt sie auch Liquid Ecstasy. Die Opfer leiden meiste unter einem Erinnerungsverlust. Außerdem kann eine heftige Übelkeit auftreten. Schon wenige Stunden nach der Verabreichung ist der Stoff im Blut nicht mehr nachweisbar – das ist einer der Gründe, die es der Polizei schwer machen, genaue Aussagen über die Häufigkeit der Verwendung zu machen. Außerdem ist auch den Opfern nicht immer bewusst, was mit ihnen geschah. Umstehende halten sie für betrunken, die äußeren Anzeichen ähneln einer starken Alkoholisierung.

Die Polizei warnt regelmäßig vor den Gefahren des Stoffes

Vor Großveranstaltungen mit Gedränge warnt die Polizeiimmer wieder vor der „Vergewaltigungsdroge“, wie GBL umgangssprachlich auch genannt wird. So geht jedes Jahr vor Fasching eine Meldung an die Öffentlichkeit, dass man beim Feiern darauf achten soll, stets sein Getränk im Blick zu haben und keine offenen Drinks von Fremden annehmen soll.

Die Fallzahlen sind in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich gestiegen. 2005 hatten die Ermittlungsbehörden nur 13 Fälle in ganz Baden-Württemberg registriert. Im Jahr 2009 hegte die Polizei in 135 Fällen im Land den Verdacht, dass Liquid Ecstasy im Spiel war. 2014 verzeichnete das Landeskriminalamt 255 Fälle. Dazu kommt laut der Polizei ein großes Dunkelfeld, denn sei auch den Opfern selbst nicht klar, was mit ihnen geschehen ist und sie melden sich nicht.

In Stuttgart ist am Landgericht im Mai einer der wenigen Fälle verhandelt worden, in dem der Gebrauch der K.-o.-Tropfen nachgewiesen werden konnte: Eine Frau war im November 2016 an der Calwer Straße eine junge Frau aufgefallen, die ohne Hose auf dem Steinboden saß. Die Zeugen riefen die Polizei. Sie soll sexuell missbraucht worden sein, die Droge war nachweisbar. Ein tatverdächtiger 21 Jahre alter Mann wurde gefasst. Ihm wurde keine Vergewaltigung nachgewiesen. Da auch unklar war, wann und wo die Tropfen in ein Getränk der Frau gemischt wurden, machte ihm die Anklage nicht den Vorwurf, die Frau unter Drogen gesetzt zu haben. Der Mann wurde zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt.