Dieses Auto ist von der Neckarfähre gerollt. Es konnte erst Stunden später geborgen werden, die Insassen waren schon tot. Foto: 7aktuell.de/Alexander Hald

Immer öfter sind Senioren verantwortlich für Unfälle im Land – wie Ende September beim tödlichen Unglück auf der Fähre in Edingen-Neckarhausen. Ihr Anteil unter den Unfallverursachern hat sich seit 1997 fast verdoppelt.

Stuttgart - Da fehlt doch was. Die BMW RS 1200 GS hat alles, was ein Motorrad braucht: Räder, Motor, Auspuff, Lenker. Auf einen Fahrer aber kann das Moped ganz gut verzichten. Die Maschine startet alleine, fährt alleine, kurvt alleine, bremst und stellt sich ab. Ebenfalls allein. Eine wesentliche Fehlerquelle im Straßenverkehr haben die bayrischen Entwickler also ausgemerzt – den Menschen.

Menschliches Versagen ist mutmaßlich auch verantwortlich dafür, dass Ende September ein altes Ehepaar bei einem tragischen Unfall gestorben ist. Ein 86-Jähriger war, begleitet von seiner zehn Jahre jüngeren Frau, mit dem Wagen in Edingen-Neckarhausen auf die Flussfähre gefahren. Als die Fähre gestartet war, sahen Zeugen noch kurz Bremslichter aufleuchten. Dann sei das Auto plötzlich nach vorne geschossen und über Bord gegangen. Die beiden Insassen konnten Stunden später nur noch tot geborgen werden.

Das Ermittlungsverfahren ist eingestellt

Die Ermittler vermuten, dass der Senior vergessen hat, die Handbremse anzuziehen. Das Auto sei während der Schifffahrt deshalb ins Rollen geraten. Der Fahrer habe dann Gas gegeben statt zu bremsen. Die Kripo hat den Fall abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Mannheim, die zuständig ist für diesen Neckarabschnitt, hat nun das Verfahren gegen die Fährführerin wegen fahrlässiger Tötung eingestellt.

Immer wieder treten Autofahrer aus Versehen aufs Gas. Das sind oft Senioren, wie etwa 2017 in Remseck (Kreis Ludwigsburg), wo eine 77-Jährige aus Versehen zwei Bekannte überfuhr. Eine Frau starb, die andere wurde schwer verletzt. Doch auch Jüngeren passiert der Fehler. So ist Ende September im bayrischen Parkstetten eine Frau, erst 30 Jahre alt, samt Auto in einem Weiher gelandet. Sie hatte Glück – und wurde unverletzt gerettet.

Die jungen Erwachsenen bleiben große Sorgenkinder

Nach Angaben des Statistischen Landesamts ist der Anteil älterer Menschen als Hauptverursacher von Unfällen in den vergangenen 20 Jahren deutlich gestiegen. 1997 waren nur 2,8 Prozent unter den Unfallverursachern im Land älter als 75. Zehn Jahre später waren es schon vier Prozent. 2017 lag die Quote bei 6,8 Prozent. Addiert man die 70-Jährigen bis 75-Jährigen hinzu, kratzten die Senioren fast an der Zehn-Prozent-Marke. 9,6 Prozent der Hauptunfallverursacher waren 2017 älter als 70. 1997 war deren Anteil nur halb so groß.

Die jungen Erwachsenen im Alter von 18 Jahren bis 25 Jahren sind indes immer noch die Sorgenkinder Nummer eins. Sie verursachen am meisten Unfälle, allerdings ist ihr Anteil bei den Hauptunfallverursachern seit 1997 von 22,6 Prozent auf 17,4 Prozent kontinuierlich gesunken. Und: 1997 gingen noch ein Viertel (208) aller Unfalltoten (859) zurück auf Crashs, die junge Erwachsene zu verantworten hatten. 2017 lag dieser Anteil nur noch bei knapp zwölf Prozent. 52 von insgesamt 434 Unfalltoten in Baden-Württemberg starben bei Zusammenstößen, für die junge Erwachsene verantwortlich waren. Aber 53 Tote gab es bei Unfällen, die über 75-Jährige ausgelöst hatten. Mehr als jeder sechste Unfalltote ging auf das Konto von Autofahrer im Alter von 70 plus.

An der Sicherheit wird ununterbrochen gearbeitet

„Sie finden auf dem gesamten Markt kein Auto, das sich ausschließlich an Senioren als Zielgruppe richtet“, sagt Stefanie Hennig-Senft, die Sprecherin des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA). Aber am Thema Sicherheit werde ununterbrochen gearbeitet. Davon profitierten nicht nur Ältere, sondern alle. So dürfte diese Arbeit ihren Anteil daran haben, dass die Zahl der Verkehrstoten im Land deutlich gesunken ist. Sicherheits- und Unfallsysteme wie Einparkhilfen, vorausschauende Notbremsassistenten, Abstandsregler, Spurhalteassistenten oder Müdigkeitswarner sind im Kommen.

„Fahrtrainings können im realen Verkehr helfen, die Kompetenz unabhängig vom Alter zu steigern“, erklärt Carsten Bamberg, Teamleiter Verkehr und Umwelt beim ADAC Baden-Württemberg. Der kritische Blick auf Senioren hinterm Steuer ist aus seiner Sicht nicht angebracht. Bamberg verweist auf eine Analyse der Bundesanstalt für Straßenwesen, derzufolge nur etwa sechs Prozent der älteren Bevölkerungsgruppe ihr Fahrverhalten nicht ausreichend an ihre Defizite anpassten. Regelmäßige verpflichtende Fahrtests „halten wir nicht für verhältnismäßig“.

Es fehlen Alternativen

Zudem seien Senioren eher gefährdet als Gefährder – als Fußgänger und Radfahrer. Jeder zweite tödlich verunglückte Fußgänger oder Radler sei älter als 65. „Daher ist es wichtig, dass die Politik für eine zuverlässige, sichere alternative Mobilität sorgt,“ fordert Casten Bamberg, insbesondere auf dem Land. „Hier fällt es besonders schwer, freiwillig auf das Auto zu verzichten“, weil es kaum Alternativen gebe.