Der Kreativitätsforscher Olaf-Axel Burow rät zu einem neuen Lehrerprofil. Foto: Layher

Die reine Wissensvermittlung wird in der Schule immer weniger wichtig werden, sagt der Kreativitätsforscher Olaf-Axel Burow. Den Lehrern komme eine neue Rolle zu.

Schorndorf - Nicht nur die Arbeitswelt, auch unser Bildungssystem steht durch die Digitalisierung vor einem grundlegenden Wandel: Die reine Wissensvermittlung wird in der Schule immer weniger wichtig werden. Davon ist Olaf-Axel Burow überzeugt. „Unsere Kinder sind umstellt mit Informationen. Wenn meine 14-jährige Tochter etwas wissen will, dann fragt sie erst mal Siri“, sagt der Kasseler Professor für Allgemeine Pädagogik und meint damit die sprachgesteuerte Assistenzsoftware in Handys der Firma Apple. Der Kreativitätsforscher hat am Samstag in der Schorndorfer Barbara-Künkelin-Halle vor mehreren hundert Schulleitern und Lehrern aus der Region gesprochen. Das Staatliche Schulamt Backnang hatte unter dem Motto „Schule neu denken – Impulse für eine veränderte Lernkultur“ zu einer Fachtagung geladen.

„Lernen im Fließbandtakt“ ist veraltet

Ein Umdenken in den Lehreinrichtungen ist nach Ansicht von Burow, der selbst mehrere Jahre lang als Grundschullehrer tätig gewesen war, auch dringend geboten. Die Schule müsse sich der Lebenswirklichkeit stellen, statt am veralteten „Lernen im Fließbandtakt“ festzuhalten, so Burow.

Den Lehrern komme dabei eine neue Rolle zu. Sie müssten das tun, was Computer nicht könnten: menschliche Beziehungen knüpfen. Statt im Frontalunterricht Wissensinhalte auszugeben, die von den Schülern gar nicht aufgenommen würden, sollten sie ihre Schützlinge vielmehr zu kritischem Denken, Kommunikation und selbstbestimmter Kolaboration befähigen.

Digitale Lernplattformen gehörten zu der neuen Lebenswirklichkeit dazu. „Smartphone und soziale Medien prägen die neue Generation“, sagt Burow, „aber in der Schule taucht das als Unterrichtsgegenstand so gut wie nicht auf.“ Manche Lehrer glaubten, durch die Möglichkeiten, welche die Digitalisierung bei der Wissensvermittlung biete, überflüssig zu werden. Ihre Aufgabe aber werde sein, die Schüler zu beraten, welche Tools für sie hilfreich sind und sie bei einer kritisch-kreativen Nutzung zu unterstützen. Burow warnt gleichwohl vor einer naiven Digitalisierungsgläubigkeit – die Lehrer müssten durchaus Risiken aufzeigen und dadurch Medienkompetenz vermitteln.

Weg vom Gleichschritt

Unabhängig von digitalen Plattformen hält er in jedem Fall ein vernetztes, fächerübergreifendes Lernen für zeitgemäß. Zudem sollten Lernprozesse individueller gestaltet werden. „Wir sollten uns vom Gleichschritt verabschieden“, sagt Burow. Die Aufgabe des Lehrers sei, für jeden Schüler den für ihn besten Lernweg zu finden, das Lernen müsse auf die Personen und auf Projekte zugeschnitten werden. Die Kapazitäten, die durch besonders selbstständige Schüler frei würden, könnten für jene genutzt werden, die umfangreicherer Hilfe bedürften.

Auch die Architektur von Schule müsse sich verändern. Architekten sollten in pädagogischen Kategorien denken, die Vielfalt der Lernzugänge und Lernorte nutzen, gesundheitliche Aspekte berücksichtigen – vom Klassen- zum Lebensraum kommen. Schule müsse buchstäblich Raum für aufgabenbezogenes, sebstbestimmtes Lernen schaffen, so Burows These.

Inspirieren statt zwingen

Letztlich sollte sich Schule zu einer stärkenden, wertschätzende Schule entwickeln. „Wir sollten die Lust am Lernen entfachen, zum Lernen inspirieren, statt dazu zu zwingen“, sagt Burow. Diese Erkenntnis sei im übrigen nicht neu. Ähnliches habe der englische Arzt und Hauslehrer John Locke, ein Vordenker der Aufklärung, bereits Ende des 17. Jahrhunderts in einem Essay („Some Thoughts Concerning Education“) festgehalten.