Deutsch im Intensivkurs: Die italienische Krankenpflegerin Rossella Fantozzi liest vor den anderen Schülern im Unterricht aus einem Buch vor. Die Klasse lauscht und schmunzelt Foto: factum/Bach

Deutschland braucht Fachkräfte. Die Unternehmen suchen intensiv – auch im Ausland. Unsere Zeitung begleitet eine solche Anwerbung und die beteiligten Menschen ein Jahr lang. Heute: 14 Krankenpfleger aus Italien müssen sich im Sprachkurs beweisen.

Stuttgart/Böblingen - Der Tag beginnt mit strahlendem Sonnenschein – und zwei selbst gebackenen Kuchen. Claudia Simeone hat Geburtstag, deshalb herrscht vor dem Bildungszentrum des Internationalen Bundes auf dem Böblinger Flugfeld großes Hallo. Die anderen fallen Claudia um den Hals. Dick verpackt in Mützen, Schals und Anoraks, aber stilsicher mit Sonnenbrillen. Der deutsche Februar ist kalt.

Für die 14 italienischen Krankenpfleger, die der Sindelfinger Klinikverbund Südwest angeworben hat, hat längst der Ernst des neuen Lebens begonnen. Seit einigen Wochen läuft der Sprachkurs, der im Frühjahr zum B1-Abschluss, der ersten Hürde auf dem Weg, führen soll. Fünf Tage die Woche, knapp acht Stunden am Tag. „Das ist ziemlich hart“, sagt eine Teilnehmerin und lacht. Demnächst wird auch noch an einigen Samstagen spezieller Unterricht dazukommen. Dann werden zusätzlich Fachbegriffe aus dem Pflegebereich auf dem Lehrplan stehen. Die sind unverzichtbar für die spätere Arbeit im Krankenhaus.

Doch zunächst einmal geht es um die grundlegenden Gemeinheiten der deutschen Sprache. Es ist erstaunlich, wie weit die jungen Leute nach wenigen Wochen Intensivunterricht bereits sind. Lehrerin Stefanie Wagner zieht Deutsch als Unterrichtssprache konsequent durch und fordert die Schüler ganz ordentlich. Doch die ziehen alle mit und sind mit Spaß bei der Sache. „Ich bin sehr angetan. Die Leute machen sich gut und arbeiten prima zusammen“, freut sich Stefanie Wagner.

An diesem sonnigen Morgen geht es im Klassenzimmer passend zur Tageszeit ums Frühstück. Wer hat was gegessen, wo und mit wem? Während die einen nur einen Tee oder Kaffee getrunken haben, haben es andere so richtig krachen lassen in ihrer Gastfamilie. „Butterbrezel, ein Brötchen mit Käse und ein Ei“, sagt Massimiliano De Simone und lacht. Auch Nutella steht hoch im Kurs.

Stefanie Wagner liest eine Geschichte vor. Darin geht es um Kurt, der zum Frühstück weiblichen Besuch erwartet. Doch die Dame lässt auf sich warten. Die Sprachschüler müssen zuhören, den Inhalt verstehen und nachher Fragen dazu beantworten. Zum Abschluss sollen sie die Geschichte selbst fortschreiben. Da geht es um verpasste Busse, verspätete Züge oder Wecker, die nicht klingeln wollten. Wie im echten Leben halt.

Das hat freilich nicht nur sonnige Seiten. Während sich die meisten Pflegekräfte in ihren Gastfamilien, bei denen sie während des Sprachkurses vier Monate lang wohnen, schnell eingelebt haben, gab es bei zweien doch Probleme. Einmal aus ganz praktischen Gründen: Die Busverbindungen vom Wohnort zur Sprachschule haben nicht so gepasst wie ursprünglich gedacht. Die Schülerin wäre nicht rechtzeitig zum Unterricht gekommen. Im zweiten Fall gab es persönliche Differenzen. Die Fachkraft hatte in ihrem neuen Zuhause wenig Privatsphäre und verstand sich nicht gut mit den Gastgebern. Beide junge Frauen haben inzwischen die Gastfamilie gewechselt und fühlen sich in ihrer neuen Familie sehr wohl.

Zufrieden ist auch Kerstin Franz, die beim Klinikverbund für die Personalgewinnung verantwortlich zeichnet. „Wir sind sehr zuversichtlich und glauben, dass alle 14 das Programm durchziehen werden“, sagt sie. Knapp ein Jahr dauert es insgesamt, bis die jungen Italienerinnen und Italiener nach Sprachkursen, Praxiserfahrungen und Prüfungen in Deutschland als Fachkräfte anerkannt sein werden, um dauerhaft hier arbeiten zu können.

Bis dahin stehen noch einige Geburtstage auf dem Programm. Wahrscheinlich auch solche ohne Mützen, Schals und Anoraks.

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StN-Projekt Nordwärts

Der Fachkräftemangel in Deutschland bringt viele Unternehmen dazu, auch im Ausland nach Personal zu suchen. Italien, Spanien, Portugal, aber auch Länder in Asien sind Ziele. Gebraucht werden Ingenieure, Erzieher, Pflegekräfte und viele andere Berufe.

Auf dem Markt tummeln sich inzwischen diverse Anbieter, die Kandidaten nach Deutschland vermitteln. Manche arbeiten seriös, andere nicht. Der Internationale Bund (IB), ein großer Anbieter aus dem Sozialbereich, hat sich auf die Anwerbung von Pflegekräften und Erzieherinnen in Italien spezialisiert. Dort gibt es viele studierte Fachkräfte, die keine angemessen bezahlte Festanstellung finden.

Unsere Zeitung begleitet den IB und den Klinikverbund Südwest in Sindelfingen unter dem Titel „Nordwärts“ ein Jahr lang von der Kandidatensuche bis zur Anerkennung der Fachkräfte in Deutschland. Das Einleben in einem fremden Land, Sprachkurse, Arbeitserfahrungen und schließlich die Prüfung durch das Regierungspräsidium stehen in dieser Zeit auf dem Programm. Der Arbeitgeber und die italienischen Pflegekräfte kommen regelmäßig zu Wort und schildern ihre Erfahrungen. (jbo)