In diesem Jahr will die Bahn unter anderem 2100 Lokführer einstellen Foto: imago /Jochen Eckel

TV-Spots, Plakatwände und Online-Werbung: Die Deutsche Bahn wirbt im In- und Ausland verstärkt um neue Mitarbeiter. Warum auch Quereinsteiger große Chancen haben, und wie die Stammbelegschaft gehalten werden soll.

Die Deutsche Bahn AG will dieses Jahr mindestens 25 000 neue Mitarbeiter einstellen, um noch größere Personalnot zu vermeiden und die hohen altersbedingten Abgänge auszugleichen. An diesem Montag startet eine neue große Werbekampagne mit TV-Spots, Plakatwänden und in den Online-Kanälen. „Auch außerhalb von Europa soll verstärkt rekrutiert werden, so in der Türkei und Nordafrika“, kündigte Personalvorstand Martin Seiler an.

In diesem Jahr will der Konzern unter anderem 2100 Lokführer und 1600 Fahrdienstleiter einstellen. „Unter dem Strich sollen mindestens 9000 Stellen zusätzlich entstehen“, betont der Manager. Voriges Jahr gab der Konzern 28 000 Einstellungszusagen und baute 5000 neue Stellen auf. Man investiere auf Rekordniveau, um die großen Herausforderungen zu stemmen, sagt Seiler. Dazu gehöre die Verbesserung der Betriebsqualität, die Generalsanierung der Infrastruktur und die angestrebte Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030.

Bis dahin erreicht allerdings rund die Hälfte der aktuell 222 000 DB-Mitarbeiter in Deutschland das Rentenalter. Jedes Jahr gehen zwischen 13 000 und 17 000 erfahrene Arbeitskräfte in den Ruhestand, die ersetzt werden müssen. Die DB-Belegschaft ist nach vielen Sparrunden der letzten Jahrzehnte im Schnitt ziemlich gealtert. Ein großer Teil der Beschäftigten hat schon das 50. Lebensjahr erreicht, weil die rechtzeitige Verjüngung lange versäumt wurde.

In diesem Jahr stellt der Konzern die Rekordzahl von 5500 Azubis und Dualstudenten ein. Die neue Werbekampagne „Was ist dir wichtig?“ zielt mit Spots in TV und Online-Kanälen besonders auf Nachwuchskräfte. Mit der angestrebten Klima- und Verkehrswende wird die Bahn auch für viele junge Menschen ein attraktiver Arbeitgeber. Allein 2022 gab es 115 000 Bewerbungen für die rund 50 Ausbildungsberufe. Dabei wird beim Staatskonzern Chancengleichheit großgeschrieben – bis 2024 will man eine Frauenquote von 30 Prozent in Führungspositionen erreichen. Im Wettbewerb um Nachwuchs punkten will die DB auch mit attraktiven Arbeitsbedingungen, Übernahmegarantien nach erfolgreicher Ausbildung und sicheren, sinnstiftenden Zukunftsjobs für eine grüne Mobilitätswende. Die Anwerbung im Ausland will der größte deutsche Staatskonzern verstärken. Die 2019 gegründete „Cross-Border-Recruiting-Einheit“ soll ausgebaut werden. Bereits in zehn Ländern sind die DB-Anwerber aktiv, auch außerhalb Europas. In Ägypten und Tunesien habe man schon Mitarbeiter gewonnen, die man auch bei der Integration und Wohnungssuche in Deutschland unterstütze. Riesenpotenzial gebe es unter anderem in der Türkei, so Seiler. Zudem biete man „Jobs in Germany“ in Bosnien, Kroatien und Nordmazedonien an, vor dem Krieg auch in der Ukraine.

Um die Personalnot vor allem bei Lokführern, Fahrdienstleitern und Servicekräften zu lindern, setzt der Konzern verstärkt auch auf Zugänge aus anderen Branchen. Jedes Jahr werden 4000 bis 5000 Quereinsteiger für Jobs im Schienenverkehr weitergebildet und qualifiziert. Um Mitarbeiter zu halten und Abwerbungen zu bremsen, setzt die DB auf verbesserte Schichtsysteme und mehr Flexibilität. So können Mitarbeiter so weit möglich bis zu 30 Tage im Jahr mobil im Ausland arbeiten, und für Rückkehrer nach einer Auszeit gibt es „Comeback-Programme“. Vergünstigte Bahnfahrten sollen ab dem Frühjahr auch Partner von Beschäftigten ohne Ehevertrag erhalten.

Mit Blick auf Kritik von Gewerkschaften, die zunehmende Unzufriedenheit von Mitarbeitern beklagen, betont Seiler, dass die Fluktuation zwar leicht auf sieben Prozent gestiegen sei, aber weit unter den Quoten im öffentlichen Dienst (13 Prozent), der Industrie (rund 20) oder im Handel (mehr als 30 Prozent) liege. Der Krankenstand sei ebenfalls leicht auf rund sieben Prozent gestiegen, lediglich in Extremfällen wie zuletzt bei der Zugdisposition in Köln seien wegen Corona und Erkältungswellen mehr als 30 Prozent der Beschäftigten ausgefallen, was zu massiven Betriebsproblemen führte.

Ziel des Personalaufbaus um weitere 9000 Stellen sei daher auch die Entlastung der Belegschaft. Die Arbeitsbedingungen und Vergütungen werden Thema der beiden schwierigen Tarifrunden bei der DB in diesem Jahr sein. Ab Frühjahr verhandelt der Staatskonzern mit der größeren EVG und ab Herbst mit der Lokführergewerkschaft GDL. Auch Bahnstreiks sind dann erneut nicht ausgeschlossen, da auch der Konzern angesichts der massiven Inflation und der schmerzhaften Kaufkraftverluste seiner Beschäftigten mit hohen Lohnforderungen rechnet.