Daumen runter: Facebook hat vom Bundeskartellamt einen klaren Rüffel bekommen. Foto: dpa

Das deutsche Kartellamt will Facebook einschränken. Das Sammeln von Daten aus Drittquellen soll nur mit Zustimmung der Nutzer erlaubt sein.

Stuttgart - Die deutschen Wettbewerbshüter verlangen, dass der US-Konzern Facebook sein Geschäftsmodell grundlegend ändert. Mit seinem aktuellen Urteil schränkt das Bundeskartellamt die Sammlung und Verarbeitung von Nutzerdaten durch das soziale Netzwerk stark ein. Das hat Konsequenzen für 23 Millionen Nutzer in Deutschland, die Facebook täglich nutzen.

Wie kommt Facebook laut Kartellamt missbräuchlich an Daten?

Wie das Bundeskartellamt in Bonn erklärte, kam das Amt nach einer dreijährigen Prüfung zu dem Ergebnis, dass der US-Konzern seine Marktmacht missbrauche, um Daten seiner Nutzer zu sammeln. „Die Kombination von Datenquellen hat ganz maßgeblich dazu beigetragen, dass Facebook einen so einzigartigen Gesamtdatenbestand über jeden einzelnen Nutzer erstellen und seine Marktmacht erreichen konnte“, sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt.

Bislang konnten Personen das soziale Netzwerk nur dann nutzen, wenn sie den Bedingungen zustimmen, dass Facebook auch außerhalb seiner Seite im Internet oder auf Smartphone-Apps wie Instagram oder Whatsapp viele Daten über den Nutzer sammeln und dem Facebook-Nutzerkonto zuordnen kann. Auch wenn oft gar kein Facebook-Symbol auf einer Website sichtbar ist, fließen vielfach Daten von einer Internetseite zu Facebook – zum Beispiel, wenn ein Homepage-Betreiber im Hintergrund den Analysedienst Facebook Analytics einsetzt. Schon der Aufruf einer Seite, in der ein Like-Button eingebunden ist, löst einen Datenfluss aus. Es ist also nicht notwendig, einen Like-Button zu berühren oder zu betätigen, um Daten preiszugeben. Die Schnittstellen sind millionenfach auf deutschen Webseiten und in Apps verbreitet. Im Prinzip wäre es in Ordnung, wenn Facebook Daten auf fremden Seiten sammele, aber dafür brauche es eine bewusste Einwilligung der Nutzer, so Mundt.

Schadet das Geschäftsmodell von Facebook dem Wettbewerb?

In der Zusammenführung der Daten sieht Mundt ein grundsätzliches Problem. So werde Facebook „für Werbekunden immer unverzichtbarer“. Das könne dem Wettbewerb und den Werbekunden schaden, die auf einen „mächtigen Anbieter“ träfen. Facebook widerspricht. Man sei populär, habe aber keine marktbeherrschende Stellung: „Wir haben in Deutschland einen harten Wettbewerb mit anderen Diensten, doch das Bundeskartellamt hält es für irrelevant, dass unsere Apps mit Youtube, Snapchat, Twitter und vielen anderen Wettbewerbern um die Aufmerksamkeit der Nutzer konkurrieren.“ Andere soziale Netzwerke wie Linked-In, Xing oder Youtube befriedigten andere Bedürfnisse und seien deshalb hier nicht relevant, meinte dagegen Mundt: „Wir sind dabei, kartellrechtliche Leitplanken in die Internetökonomie einzuziehen.“ Das Bundeskartellamt kann seine Entscheidung notfalls über Bußgelder (maximal zehn Prozent des Jahresumsatzes) oder fortlaufende Zwangsgelder (maximal zehn Millionen Euro pro Zwangsgeld) durchsetzen.

Was entgegnet das Online-Netzwerk der Kritik?

Facebook kündigte bereits wenige Minuten nach der Entscheidung an, sich vor Gericht wehren zu wollen. „Wir werden Beschwerde gegen den Beschluss einlegen“, teilte das Unternehmen mit, das jetzt innerhalb von vier Monaten Lösungsvorschläge präsentieren muss. Innerhalb eines Monats kann das Unternehmen Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen. Die Firma verstoße auch nicht gegen die EU-Datenschutz-Grundverordnung. Außerdem seien für die Aufsicht über deren Einhaltung die Datenschutzbehörden und nicht die Wettbewerbshüter zuständig.

Facebook hat in Deutschland den Angaben zufolge rund 30 Millionen mindestens einmal im Monat aktive Nutzer, 23 Millionen greifen täglich auf den Dienst zu. 40 Prozent der Nutzer sozialer Medien verwendeten also Facebook gar nicht, das habe auch das Bundeskartellamt selbst festgestellt. Von der Behörde heißt es aber, dass sie Berichte über nachlassende Facebook-Nutzung nicht bestätigen könne.

Was bedeutet das Urteil für die Verbraucher?

Facebook soll die Daten aus verschiedenen Plattformen nur noch zusammenführen dürfen, wenn die Nutzer zustimmen. Die zum Facebook-Konzern gehörenden Dienste wie Whats-app und Instagram dürfen die Daten zwar weiterhin sammeln. Eine Zuordnung der Daten zum Nutzerkonto bei Facebook ist aber nur noch mit freiwilliger Einwilligung des Nutzers möglich. Wenn die Einwilligung nicht erteilt wird, müssen die Daten bei den anderen Diensten verbleiben und dürfen nicht kombiniert mit den Facebook-Daten verarbeitet werden.

Wie beurteilen Datenschützer die Entscheidung?

Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationstechnik Baden-Württemberg, Stefan Brink, hält den Einschnitt für ein gutes Zeichen. „Das unterscheidet uns von den USA“, sagte er: „Sie sind auch ein Rechtsstaat, aber Datenschutz, Verbraucherschutz und wirksame Kontrolle wirtschaftlicher Monopole sind dort nicht zu Hause. Wir Europäer nehmen Bürgerrechte ernster als der Rest der Welt. Das macht unser Leben nicht immer einfacher, aber nachhaltig besser.“

Auch Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV), begrüßte die Entscheidung: „Der Datensammelwut des Unternehmens wird nun zum Schutze von Verbrauchern mit Mitteln des Kartellrechts begegnet.“ Das Verhalten von Facebook verstoße gegen Datenschutzrecht und sollte wegen der Gefahr eines Marktmissbrauchs untersagt werden. Justizministerin Katarina Barley positionierte sich ebenfalls gegen das soziale Netzwerk. Facebook habe die Sammlung und Vernetzung von Nutzerdaten „weit über die eigene Plattform hinaus ausgebaut“. Den Nutzern sei der Datenabfluss häufig weder bewusst noch könnten sie diesen verhindern, wenn sie die Angebote nutzen wollen. Gegen den Missbrauch von Datenmacht müsse konsequent vorgegangen werden.