Mark Zuckerberg führt einen mächtigen Weltkonzern – aber vermutlich denkt er noch immer wie ein Student. Foto: dpa

Das soziale Netzwerk Facebook befindet sich in der größten Krise seiner Geschichte. Mark Zuckerberg entschuldigt sich halbherzig, dass seine Firma Daten an Cambridge Analytica abfließen ließ. Aber er selbst bleibt das größte Problem von Facebook.

Menlo Park - So etwas lässt die Gagschreiber der „heute-show“ und ähnlicher Satiresendungen ratlos zurück. Wie will man das übertrumpfen? Facebook, ein börsennotiertes Superunternehmen, gerät in die größte Krise seiner 14 Jahre zurückreichenden Geschichte. Der Aktienwert befindet sich im freien Fall. Das Unternehmen schaltet weltweit in Tageszeitungen für viel Geld Imageanzeigen. Mark Zuckerberg, Gründer und Chef von Facebook, entschuldigt sich für den Datenmissbrauch durch Cambridge Analytica und für Facebooks Unfähigkeit, dem Einhalt zu gebieten.

In so einem zentralen Moment der Firmengeschichte werde jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, sollte man meinen. Doch der Zig-Milliarden-Konzern nutzt eines der notorisch fehlerträchtigen Übersetzungsprogramme und produziert zumindest für die deutsche Fassung der Habt-uns-bitte-wieder-lieb-Anzeige Holpersprache: „Es ist unsere Verantwortung, Deine Informationen zu schützen. Wenn wir das nicht können, haben wir diese Verantwortung nicht verdient.“ Spötter folgern daraus: „Wenn wir die Verantwortung nicht verdient haben, machen wir eben verantwortungslos weiter.“

Ein Studentenbudenprojekt

Die Wurschtigkeit der Anzeigenformulierung ist keine Panne am Rande. Sie ist symptomatisch, lässt tief blicken ins Innerste eines Weltkonzerns, der mit dem eigenen Wachstum nicht mitkam. Facebook ist die derzeit mächtigste Plattform im Datennetz. Wer sich ihrer Angebote, ihrer blinden Flecken und ihrer Sicherheitslücken zu bedienen weiß, kann die Wahlen in den USA mitentscheiden, wie Cambridge Analytica zugunsten von Donald Trump bewiesen hat. Aber im Kern – und dieser Kern heißt Mark Zuckerberg – ist die Firma noch immer ein Studentenbudenprojekt, das Regeln für uncool und Verantwortung für eine Spaßbremse hält.

An der Börse misst sich Facebook gern mit Amazon und Apple. Die entscheidenden Figuren dieser beiden Konzerne, Jeff Bezos und der 2011 verstorbene Steve Jobs, haben immer ganz anders gearbeitet als Zuckerberg. Bezos verband Geschäftssinn mit Vision, er hat Amazon Schritt um Schritt aufgebaut. Steve Jobs war ein begnadeter Verkäufer und ein instinktsicherer Lifestyle-Stratege.

Lehren aus dem blauen Auge

Der 1984 geborene Mark Zuckerberg dagegen hat bisher keine Qualitäten als Vordenker gezeigt. Er ist ein Getriebener, ein Surfer, der gar nicht mit großen Wellen gerechnet hatte und nun zusehen muss, wie er sich auf dem Brett hält. 2004 begann Facebook als zweifelhafter Jungenulk, als Webseite an der Uni Harvard. Zuckerberg und ein paar Kumpels stellten Bilder von Studentinnen online – ohne deren Zustimmung natürlich – und forderten die Kommilitonen auf, abzustimmen, wer das heißere Babe sei.

Das hat Zuckerberg in eine so ernste Lage wie heute gebracht, nur im damaligen Maßstab. Als das Projekt den Uniautoritäten zu Ohren kam, drohte ihm das Ende seiner Harvard-Karriere: Die Verletzung von Privatsphäre, die Verletzung von Urheberrechten und umfassende Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen wurden ihm vorgeworfen. Dass er in dieser Affäre mit einem blauen Auge davonkam, hat Zuckerberg überzeugt: Letztlich wisse jeder, dass man spießige Regeln und Gesetze nicht auf alles anwenden darf, was Spaß macht. Und dass jungenhafter Charme – „Hoppla, ich hatte es nicht böse gemeint“ – im Nachhinein alles ausbügeln kann.

Zuckerberg und Trump

Wie Facebook wachsen, in welchem Ausmaß es Datenströme lenken, die Meinungsbildung beeinflussen und Themen setzen oder marginalisieren würde, hat Zuckerberg sich nie träumen lassen. Anfangs hat er immer nur versucht, die Massen, die zu ihm strömten, mit neuen Gimmicks zu vergnügen, weil er selbst nicht glauben konnte, dass die allzu lange auf seiner Plattform bleiben würden. Als Facebook an die Börse ging, sah er sich mit einem neuen Problem konfrontiert: Nun musste Gewinnerwirtschaftung in großem Ausmaß her. Er hatte nie einen Plan, wie sich dieser Anspruch mit den Erfordernissen des Datenschutzes in Einklang bringen ließe.

Die aktuelle Datenleck-Krise zeigt, wie viel Ähnlichkeit Facebook mit dem Weißen Haus unter Donald Trump aufweist. Als Präsident, hatten viele Beobachter gedeutet, werde Trump nicht so furchtbar werden, wie er als Wahlkämpfer klang. Schließlich sei er im Amt in Strukturen eingebettet, habe politikerfahrene Veteranen um sich. Aber um die Strukturen kümmert Trump sich wenig, und die Politprofis passen sich an seinen Stil an oder sind nicht lange um ihn. So ähnlich scheint der Geist von Mark Zuckerberg Facebook zu prägen. Gespräche mit seinen diversen Vertretern haben sich für die Politiker diverser Staaten bisher als so sinnvoll erwiesen wie Anrufe bei der Facebook-Hotline. Letztlich tut und lässt Zuckerberg, was er will.

Teenagerlaunen

Das derzeitige Katastrophenmanagement hat denn auch mehr mit Teenagerlaunen als mit Strategie zu tun. Vor einem Ausschuss des US-Repräsentantenhauses will Zuckerberg am 12. April zur Zusammenarbeit mit Cambridge Analytica aussagen. Dem britischen Parlament dagegen, das ihn ebenfalls anhören wollte, hat Zuckerberg abgesagt: Das Unternehmen Cambridge Analytica, das im Verdacht steht, auch bei der Brexit-Meinungsmache mitgemischt zu haben, ist eine britische Firma. Zuckerberg müsste eigentlich alles tun, die Wogen dort zu glätten, statt dem alten Europa arrogant zu verstehen zu geben, es habe keinen Anspruch auf direkte Begegnungen mit dem Facebook-Chef. Bislang hat Facebook alle Attacken, Beschwerden und Konkurrenten mit jener gut gelaunten Unbekümmertheit überstanden, die sich im weltberühmten Gefällt-mir-Daumen ausdrückt. Diesmal ist es nicht so sicher, dass der Daumen nicht nach unten kippt.