Die Euro-Zeichen der EZB: Die Notenbank hat am Donnerstag das größte Rettungsprogramm ihrer Geschichte beschlossen Foto: dpa

Die Europäische Zentralbank startet das größte Kaufprogramm von Staatsanleihen in ihre Geschichte, um die schleppende Wirtschaft im Euro-Raum anzuschieben. Doch ob das Rettungsprogramm auch tatsächlich wirkt, ist umstritten – Fragen und Antworten.

Stuttgart  –  Was haben die Notenbanker am Donnerstag in Frankfurt beschlossen?
Die Europäische Zentralbank ( EZB) hat sich auf ein Rettungsprogramm in einem noch nie da gewesenen Umfang geeinigt. Sie wird bis September 2016 für insgesamt 1,14 Billionen Euro Staatsleihen und andere Wertpapiere kaufen. Beginnen wird sie damit im März. Möglicherweise läuft das Rettungsprogramm noch länger. Durch den massiven Kauf von Staatsanleihen sollen langfristig die Zinsen gesenkt werden, denn je größer die Nachfrage nach solchen Anlagen, desto weniger Zinsen müssen die Länder dafür zahlen. Dadurch können sie sich günstig Geld beschaffen.
Was bezwecken Europas Währungshüter mit dem Rettungsprogramm?
Die Inflationsrate, also die Steigerung der Verbraucherpreise, ist im Euro-Raum extrem niedrig. Sie ist im Dezember von 0,3 auf minus 0,2 Prozent gesunken. Verbraucher jubeln, die EZB zittert: Sie befürchtet, dass der Euro-Raum in eine Deflation rutscht. Sie ist gefährlich, weil Verbraucher und Investoren in Erwartung weiter sinkender Preise kein Geld mehr ausgeben würden. Dadurch würde die Wirtschaft zum Erliegen kommen. Die EZB ist alarmiert, weil die Wirtschaft im Euro-Raum seit langem schwächelt – vor allem in den südlichen Ländern. Um das Inflationsziel der Zentralbank von knapp zwei Prozent und damit stabile Preise zu erzielen, will EZB-Chef Mario Draghi mit geldpolitischen Maßnahmen die Konjunktur wieder in Gang bringen.
Wie will die EZB die Wirtschaft ankurbeln?
Notenbank-Chef Mario Draghi sieht einen Grund für die lahmende Konjunktur in der schleppenden Kreditvergabe. Viele kleine und mittelständische Unternehmen vor allem im Süden kommen nur sehr schwer an Kredite. Das liegt nach Einschätzung der EZB auch daran, dass viele Banken noch wertlos gewordene Schuldpapieren sitzt. Draghi will deshalb Staatsanleihen von Banken kaufen und sie so entlasten. Dadurch haben die Kreditinstitute mehr Geld, das sie in Form von günstigen Darlehn an Firmen und Verbraucher weitergeben können. Das Kapital können die Geldhäuser auch in Anleihen oder Aktien von Unternehmen stecken. Die Betriebe haben dann Finanzmittel für Investitionen, können ihre Produktion steigern und neue Mitarbeiter einstellen.
Warum ist das Rettungsprogramm so heftig umstritten?
Ökonomen sehen in dem massiven Kauf von Staatsanleihen eine indirekte Staatsfinanzierung mit der Notenpresse, der nichts mehr mit dem Auftrag zu tun hat, den Geldwert stabil zu halten. Es gehe eher darum, die Staatsausgaben zu finanzieren. Dafür sei die Notenbank aber nicht zuständig, sagt etwa Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer: „Die Aufgabe der EZB ist nicht die Förderung der Konjunktur. Hier sind die Regierungen der Mitgliedsländer gefordert, mit Reformen das Wirtschaftswachstum zu stärken.“ Bundesbank-Präsident Jens Weidmann befürchtet, dass die EZB „Fehlanreize“ bietet, weil sich Staaten sehr günstig frisches Geld besorgen können und schmerzlichen Reformen vermeiden. Kritiker fordern, dass hoch verschuldete Staaten ihre Ausgaben und Steuern senken. Das gesparte Geld könnten Bürger für Käufe und Unternehmen für Investitionen nutzen. Sparmaßnahmen gelten aber in vielen Ländern als unpopulär; Kritiker befürchten deshalb, dass die Hilfen der Notenbank eigene Anstrengungen der Länder ersetzt.
Welche Risiken birgt der Kauf von Staatsanleihen?
Die EZB verteilt das Risiko auf mehrere Schultern: 20 Prozent der Staatsanleihen und Wertpapiere kauft sie selbst auf eigene Rechnung, 80 Prozent erwerben die Notenbanken der jeweiligen Länder. Das bedeutet: Kommt es zu Verlusten, weil ein Staatsbankrott droht, muss dies zum größten Teil die jeweilige Notenbank des Landes tragen. So sauber wie sich die Abgrenzung darstellt, ist sie aber nicht. Im Krisenfall kämen auch andere Rettungsschirme zum Einsatz, für die am Ende auch deutsche Steuerzahler gerade stehen würde.
Was bedeutet die Geldschwemme für den Euro?
Der Euro wird immer schwächer und fiel auch am Donnerstag. Weil steigende Zinsen in weiter Ferne liegen, ist der Euro für Anleger uninteressant. Sie gehen mit ihrem Geld in Länder jenseits der Eurozone, so dass die Nachfrage nach dem Euro und dessen Wechselkurs sinken. Das bekommen die Deutschen vor allem beim Kauf fremder Währungen zu spüren. Für Touristen bedeutet das: Reisen jenseits der EU-Grenzen wird teurer.
Ist ein schwacher Euro gut für Deutschland ?
Kurzfristig verschafft eine schwache Währung einem Land Vorteile. Denn durch die Euro-Abwertung können deutsche Firmen ihre Produkte im Ausland billiger verkaufen. Importe werden hingegen teurer.
Welche Folgen hat das Rettungsprogramm für den Sparer und Aktionäre?
Wer einen Kredit braucht, kann weiterhin mit Minizinsen rechnen – und etwa einen Immobilienkauf günstig finanzieren. Die Leidtragenden sind die Sparer, die noch längere Zeit mickrige Zinsen für Sparbuch & Co. in Kauf nehmen müssen. Erfahrungsgemäß investieren Anleger dann mehr in Aktien. Kein Wunder, dass der Deutsche Leitindex (Dax) am Donnerstag seinen Höhenflug fortsetzt. Er schloss mit 10 435,62 Punkten auf dem höchsten Stand seiner Geschichte.