Das neue Notprogramm der Europäischen Zentralbank ist eine Reaktion auf die prekäre Lage in Italien. Profitieren können durchaus auch andere Länder – doch die Notenbank kann in dieser Krise nur einen begrenzten Beitrag leisten, meint Wirtschaftsredakteurin Barbara Schäder.
Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB) fürchtet infolge der Corona-Pandemie offenbar eine neue Staatsschuldenkrise. Zwar begründet die Notenbank ihr über Nacht geschnürtes Hilfspaket im Volumen von 750 Milliarden Euro ganz allgemein mit den wirtschaftlichen Konsequenzen der Krankheitswelle, die derzeit das öffentliche Leben und weite Teile der Produktion in ganz Europa lahmlegt. Doch dass die EZB auch um den Bestand der Währungsunion fürchtet, zeigt eine Twitter-Botschaft ihrer Präsidentin Christine Lagarde: „Unser Einsatz für den Euro kennt keine Grenzen. Wir sind entschlossen, innerhalb unseres Mandats das volle Potenzial unserer Werkzeuge auszuschöpfen.“
Die Formulierung erinnert an eine Aussage ihres Vorgängers Mario Draghi auf dem Höhepunkt der Eurokrise. Die EZB werde innerhalb ihres Mandats „tun, was immer nötig ist, um den Euro zu erhalten“, sagte der Italiener im Sommer 2012. Noch vor einer Woche hatte Lagarde erklärt, sie lege keinen Wert darauf, mit einer Wiederholung der berühmten Losung „Whatever it takes“ in die Geschichte einzugehen.
Zweifel an der Tragfähigkeit der italienischen Staatsfinanzen
Doch seither haben sich die Ereignisse überschlagen. Die enormen Kosten der Corona-Krise im ohnehin hoch verschuldeten Italien schüren an den Märkten neue Zweifel an der Tragfähigkeit der Staatsfinanzen. Für Investitionen in italienische Schuldtitel fordern Anleger deshalb steigende Risikoprämien: Die Marktverzinsung italienischer Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit sprang am Mittwoch zeitweise auf drei Prozent. Im historischen Vergleich ist das nicht viel – doch der steile Anstieg seit Monatsbeginn, als der Satz noch bei 1,2 Prozent lag, ist ein Alarmsignal. Eine ähnliche Entwicklung war in Griechenland und Spanien zu beobachten.
Wenn sich ausgerechnet jetzt der Schuldendienst dieser Länder verteuert, wird das die Angst vor Zahlungsausfällen weiter befeuern. Um eine derartige Abwärtsspirale zu verhindern, will die EZB gegensteuern – indem sie ihre Ausgaben für den Kauf von Staatsanleihen massiv ausweitet. Dabei dürfte sie sich zunächst auf die Länder konzentrieren, die am stärksten von der Corona-Pandemie gebeutelt sind. Anders als 2012 ist aber klar, dass grundsätzlich alle Eurostaaten betroffen sind. Mit dem neuen Kaufprogramm will die Notenbank sich deshalb den Spielraum verschaffen, flexibel jeweils dort eingreifen zu können, wo es gerade besonders dringend erscheint.
Profitieren sollen davon auch Unternehmen europaweit. Nach Auslaufen ihrer vielfach zu Mini-Zinsen aufgenommenen Anleihen oder Kreditlinien dürfte die Anschlussfinanzierung für viele von ihnen deutlich teurer werden.
Höhere Zinsen könnten den Konjunktureinbruch noch vertiefen
Zwar sehnen sich viele Sparer seit Jahren nach höheren Zinsen. Doch die nützen wenig, wenn eine Rezession das Einkommen schmälert oder gar zum Verlust des Arbeitsplatzes führt. Dass die Notenbank den unvermeidlichen Konjunktureinbruch zumindest zu lindern versucht, ist deshalb richtig. Allerdings sind ihre Mittel im Kampf gegen diese Krise begrenzt. Anders als in der Schuldenkrise, bei der die Finanzierungskosten einzelner Länder im Mittelpunkt standen, kann die EZB allein den Brand dieses Mal nicht löschen. Hier enden die Parallelen zu Draghis „Whatever it takes“.
Und: So erfolgreich der Italiener als Krisenmanager war, so wenig taugt er als Vorbild für die Zeit danach. Unter Draghis Ägide hat die EZB die Chance für eine Normalisierung der Geldpolitik verpasst. Hätte die Notenbank in den Jahren des Aufschwungs auf Anleihekäufe verzichtet, hätten sich einige Unternehmen vielleicht weniger verschuldet – und möglicherweise hätte auch Italien besser gehaushaltet.