Staub, Hitze und ein Hitzschlag: Jürgen Baumann aus Backnang wollte beim härtesten Mountainbike-Rennen in Südafrika durchstarten – doch der Traum platzte.
Der Förster Jürgen Baumann ist aus besonderem Holz geschnitzt – das hat er schon mehrfach unter Beweis gestellt. Etwa beim Wüstenlauf „100 Kilometer del Sahara“, den er 2015 gewann. Glühende Hitze, Durst und blutige Füße konnten ihn damals nicht stoppen. Doch beim härtesten Mountainbike-Rennen der Welt – der Absa Cape Epic in Südafrika – stieß der 57-jährige Backnanger nun an eine ganz neue Grenze.
Nach einer reibungslosen Anreise – samt pünktlicher Räderlieferung im Flieger – starteten Jürgen Baumann und sein Teamkollege Jörg Balle mit kleinen Erkundungstouren in das Abenteuer Cape Epic. Der Prolog, ein 27 Kilometer langer Auftakt, lief perfekt. „Das hat richtig Spaß gemacht“, sagt der Förster. Endlose Trails durch traumhafte Landschaften – ein Kontrast zum heimischen Terrain. „Hierzulande fährt man ja mal zehn Minuten auf einem Trail, dort ging das stundenlang.“
Cape Epic: Das härteste Mountainbike-Rennen der Welt
Die Cape Epic gilt als das härteste Mountainbike-Etappenrennen der Welt. Über acht Tage hinweg müssen Zweierteams mehr als 600 Kilometer und rund 16 000 Höhenmeter im Gelände Südafrikas bewältigen – bei oft mehr als 35 Grad im Schatten. Wegen des Teamformats dürfen nur Fahrerpaare gewertet werden, die jede Etappe gemeinsam absolvieren. Profis und ambitionierte Amateure aus aller Welt starten hier – der sportliche Anspruch ist enorm.
Technische Herausforderungen und extreme Bedingungen
Die Strecke war technisch gut machbar und landschaftlich spektakulär. Einmal führte der Kurs sogar direkt durch einen riesigen Kuhstall. Oder entlang schier endloser Felder, „wir waren die einzigen beiden Fahrer mit Hardtails, also weniger Stoßdämpfung – die Spurrillen der Traktoren haben uns ordentlich durchgerüttelt“, sagt Baumann. „Es war rough – Sonne, Hitze, Wind, Staub und Dreck. Manchmal bist du in einer Staubwolke gefahren und hast den Vordermann nicht mehr gesehen.“ Baumann und Balle wurden nach einem ordentlichen Prolog im Mittelfeld einsortiert.
Auch die erste Etappe lief gut – vielleicht zu gut. „Wir hatten geplant, dass wir am nächsten Tag die erste Wasserstation vielleicht sogar auslassen, um schneller zu sein“, erinnert er sich. Denkste. „Als wir dann an der ersten Station ankamen, waren unsere beiden Flaschen längst leer getrunken, so heiß war es.“ Die zweite Etappe überstanden sie ebenfalls, doch Jörg Balle hatte Krämpfe und musste anschließend ins medizinische Zelt. „Seine Harn- und Nierenwerte waren kritisch. Der Arzt sagte, wenn es nicht besser wird, darf er morgen nicht starten“, so Baumann. Doch sein Kamerad trank „wie ein Kamel“ und „hat sich regelrecht gesund gespült“ – am nächsten Tag war er wieder im Sattel.
Magenprobleme und Appetitlosigkeit: Baumanns Kampf
Baumann dagegen bekam Probleme mit dem Magen. „Am selben Abend hat bei mir der Magen zugemacht“, erzählt er. „Ich konnte nichts mehr essen.“ Und das, obwohl das Abendessen reichlich war – Kartoffeln, Spaghetti, Nudeln, afrikanischer Maismehlbrei. „Jörg meinte noch: Du musst unbedingt mehr essen!“ Aber Baumann hatte keinen Appetit. „Ich esse sonst nur, wenn ich Hunger habe – aber hier musst du regelrecht stopfen, damit der Körper Energie hat.“ Es ging nicht.
Als am nächsten Morgen um fünf Uhr der Weckdienst trommelte, fühlte sich Baumann noch schlechter. „Nach dem Aufstehen bin ich erst mal auf Toilette, hatte Kopfweh – und habe mich übergeben.“ Trotz aller Warnzeichen stand Baumann mit seinem Kameraden an der Startlinie zur dritten Etappe. Dabei hatten die Beiden am Vorabend noch Profi-Tipps vom Ex-Radprofi und Mitfahrer Udo Bölts zur Strecke bekommen. Doch es half nichts.
Extreme Hitze und Übelkeit: Baumanns Kampf beim Cape Epic
Die Bedingungen waren extrem: drückende Hitze, kein Wind, kein Schatten. Der Boden speicherte die Hitze – es fühlte sich an, als würde sie von unten zurückschlagen. Jede Pedalumdrehung wurde zur Qual. „Es war mörderisch“, beschreibt der Backnanger Förster. Bereits nach dem ersten steilen Anstieg, als sich die Fahrer wie eine Perlenkette am Hang entlangzogen, überkam ihn erneut die Übelkeit. „Ich habe mich links und rechts erbrochen“, sagt er.
Baumann versuchte weiterzufahren, doch an der zweiten Wasserstation kam die entscheidende Wende. Dort war auch ein medizinisches Zelt aufgebaut. „Jörg meinte: Du hast keine Farbe im Gesicht – lass dich besser mal checken.“ Der Arzt dort ließ keine Diskussion zu: Nach einer kurzen Untersuchung untersagte er Baumann die Weiterfahrt. Der musste per Bus zurück ins Fahrerlager, wo ihm im großen Medizinzelt eine Infusion verabreicht wurde. Jörg Balle durfte außer Konkurrenz weiterfahren.
Extreme Bedingungen zwingen Fahrer zur Aufgabe bei Cape Epic
„An dem Tag haben mehr als 100 Fahrer das Ziel der Etappe nicht erreicht“, berichtet Baumann. Das Organisationskomitee reagierte – wegen der extremen Bedingungen wurde die Strecke verkürzt, Aussteiger sollten weiterfahren dürfen, wenn sie mindestens den dritten Wasserpunkt erreicht hatten. Baumann jedoch war beim zweiten ausgestiegen – zu früh. „Das war ein Kommunikationsfehler und mir nicht bewusst“, erklärt Baumann.
„Ich musste am nächsten Tag pausieren, dachte aber, ich dürfte dann wieder in die Tour einsteigen und wenigstens mitfahren.“ Doch am Donnerstagabend, als er sich wieder einigermaßen stabil fühlte und nach seinem Mountainbike sehen wollte, kam der Schock: Seine Startnummer war durchgeschnitten – disqualifiziert, gemäß Regel Nummer 16: Wer zweimal nicht ins Ziel kommt, scheidet aus. Eine Fortsetzung des Rennens war ausgeschlossen.
Enttäuschung und Respekt: Baumanns Rückblick auf die Cape Epic
„Das war bitter“, erzählt Baumann. „Während ich am Donnerstag aus dem Zeltlager zuschauen musste, konnte Jörg weiterfahren“. Balle bewältigte die über 600 Kilometer der Cape Epic und belegte – außer Konkurrenz – einen Platz unter den Top 20 seiner Altersklasse Ü50. „Bärenstark! Ich habe höchsten Respekt vor seiner Leistung“, sagt Baumann. Er selbst habe lange gebraucht, um die Enttäuschung zu verarbeiten. „Ich war maximal frustriert, hatte im Zelt Tränen in den Augen, als die anderen losfuhren.“ Immerhin hat er sich mittlerweile von seinem Hitzschlag wieder erholt. Ein 52-jähriger Belgier hatte weniger Glück. „Er ist an einem Kreislaufkollaps gestorben – der erste Tote bei einer Cape Epic.“
Gibt’s für den Backnanger irgendwann einen weiteren Versuch bei der Cape Epic in Südafrika? „Eher nicht“, sagt Baumann. Aber man solle ja niemals nie sagen. „Es war auf jeden Fall eine tolle Erfahrung.“ Und, nicht weniger wichtig: Jürgen Baumann hat den Spaß am Radfahren wiedergefunden und dreht seine Runden dort, wo er sich als Sportler und Förster am wohlsten fühlt: im Schwäbischen Wald.