Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bringt eine Obergrenze bei den Eigenanteilen der Heimkosten ins Spiel. Foto: dpa/Lucas Röhr

Lauterbach will eine Obergrenze bei den Eigenanteilen in Pflegeheimen. Das ist richtig, aber viel zu wenig, sagt unser Berliner Korrespondent Norbert Wallet.

Die jüngsten Berechnungen über die ins Uferlose weiter wachsende Eigenbeteiligung bei den Pflegeheimkosten haben eine politische Debatte in Gang gebracht. So hat nun Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Idee einer Obergrenze ins Spiel gebracht. Ihre Einführung ist eine dringende Notwendigkeit.

Zwei Zahlen können das verdeutlichen: Nach Analysen des Bundesverbandes der Ersatzkassen zahlen in Heimen untergebrachte Pflegebedürftige im ersten Jahr ihres Aufenthaltes aktuell im bundesdeutschen Schnitt einen Eigenanteil von 2871 Euro im Monat. Die Durchschnittsrente in Deutschland nach mindestens 45 Versicherungsjahren (!) liegt derzeit bei 1543 Euro. Das zeigt, dass hier ein eklatantes Missverhältnis vorliegt.

Staat muss sich seiner Verantwortung stellen

Für die steigenden Eigenbeteiligung sind nicht nur allgemein höhere Preise, etwa für Energie oder Lebensmittel, verantwortlich. Besonders ärgerlich ist nämlich, dass staatliche Ebenen sich systematisch ihrer Verantwortung entziehen. Weil sich manche Bundesländer (eine nähere Betrachtung zeigt hier erhebliche Unterschiede) nicht hinreichend an den Investitionskosten der Heime beteiligen, werden die Kosten an die zu Pflegenden weitergereicht. Und weil – völlig richtige – Maßnahmen der Bundesregierung dazu führen, dass die Löhne in der Pflege endlich steigen, ist auch das nun ein Element, das die Eigenbeteiligungen weiter klettern lässt.

Gerade das letztere Beispiel zeigt, dass der Staat gesamtgesellschaftlich höchst sinnvolle Entwicklungen nicht auf die Schultern eine sehr vulnerablen Gruppe abladen darf, sondern zwingend Verantwortung übernehmen muss.

Aber niemand darf sich hier täuschen. Die Probleme der Solidarischen Pflegeversicherung sind erheblich tiefgehender, als dass sie mit einigen schnellen gesetzgeberischen Korrekturen zu beheben wären. Sie sind auch nicht einfach den Fehlern eine oder mehrerer Bundesregierungen anzulasten, obwohl solche Fehler vorgekommen sind.

Kernproblem ist die rasante Überalterung

Im Kern sind es drei Faktoren, die gesamtgesellschaftliche Groß-Trends widerspiegeln, die das Problem umreißen: die rasante Überalterung der Gesellschaft, der drückende Fachkräftemangel und die durch die demografische Entwicklung verursachte Kostenexplosion bei den Leistungsausgaben: Ende 2023 gab es erstmals mehr als 5 Millionen Leistungsbeziehende, insgesamt 5,24 Millionen. In einer bewusst konservativen Berechnung geht das Statistische Bundesamt von rund 6,8 Millionen Pflegebedürftigen bis 2055 aus. In einer anderen Variante sieht es schon für 2035 bereits 6,3 Millionen Pflegebedürftige voraus. Die Leistungsausgaben, die heute um die 60-Milliarden-Marke pendeln, werden sich schon bis zum Ende des Jahrzehnts in ganz anderen Dimensionen bewegen. Bis 2049 werden in Deutschland bis zum Jahr 2049 zwischen 280 000 und 690 000 Pflegekräfte fehlen, sagt das Statistische Bundesamt.

Erstes Ziel muss eine bessere Prävention sein

Es geht also um viel mehr als ein kleines Reförmchen. Erstes Ziel muss es sein, über eine viel bessere Prävention die Notwendigkeit eines Heimaufenthaltes hinauszuschieben. Da geht es nicht um eine schmucke Werbe-Kampagne. Dafür bedarf es auch der Nutzung digitaler Techniken wie der Telemedizin. Pflegenden Angehörigen muss das Pflegen zuhause durch viele – auch finanzielle Einzelmaßnahmen – erleichtert werden.

Es ist eine ans Lächerliche grenzende Illusion zu glauben, das könnte man alles den Beitragszahlern aufhalsen. Es bedarf einer erheblichen Co-Finanzierung aus dem Steuertopf, übrigens auch einer strukturellen Zusammenführung der privaten und gesetzlichen Pflegeversicherung.