Die Foto: Nina Ayerle

Zwei Wochen lang werden vier öffentliche Treppen in Heslach belebt. Studenten der Uni Stuttgart haben das Projekt „Die Stadt als Haus“ konzipiert.

S-Süd - Ein Sessel für zwei Personen, eine Wohnzimmer-Lampe im Stil der sechziger Jahre, beides vermittelt ein heimeliges Gefühl. Zwei Kerzen in silbernen Messing-Ständern sorgen für das romantische Flair. „Die Ecke ist durchaus für ein Candle Light Dinner geeignet“, sagt Dennis Tilke. Er ist Student der Architektur und Stadtplanung. Das Umfeld passt: von Grün umrankt, malerischer Ausblick über Heslach und autofrei. Gut – ganz ungestört ist man nicht. Der Ort, den Dennis Tilke mit ein paar Kommilitonen für ein potenzielles Tête-à-Tête bereitstellt, befindet sich an der Taubenstaffel im Stuttgarter Süden – also in der Öffentlichkeit.

Doch ob Dinner zu zweit, Plausch mit der ganzen Nachbarschaft oder einfach zum kurzen Ausruhen nach dem Stäffele-Aufstieg – das Wohnzimmer bietet viele Möglichkeiten. Und es ist nur ein Teil eines Projektes: Der Architekturstudent Johannes Heynold hat sich die „Stäffele Gallery“ ausgedacht. Im Rahmen einer Summerschool haben zwölf weitere Studenten seines Studiengangs in Kooperation mit dem Reallabor für nachhaltige Mobilität – ebenfalls ein Projekt der Uni Stuttgart – an vier Stäffele in Heslach Wohnräume gebaut – in der Öffentlichkeit und für jeden nutzbar. Ihr Motto: Die Stadt als Haus. Maximal 1000 Euro durften sie für ihre jeweilige Staffel ausgeben und nur recyceltes Material verwenden.

Die öffentlichen Räume haben die Studenten liebevoll eingerichtet

An alles haben die Studenten gedacht: Teppiche, Schränke mit Büchern, ein Fernseher aus Holz. Am Freitag hat Heynold gemeinsam mit den Studenten und Raphael Dietz vom Reallabor zum Eröffnungsrundgang über die vier Stäffele eingeladen.

Zwei Wochen darf nun jeder, der Lust hat, die Stäffele in Heslach bewohnen. Während die Taubenstaffel als Wohnzimmer fungiert, haben die Studenten an der Wittholdstaffel ein Kinder- und Spielzimmer aufgebaut; die Elsterstaffel dient als Hobbyraum zum Werkeln und kreativ sein und die Finkenstaffel auf der anderen Seite der Böheimstraße als Küche.

Die erste Veranstaltung hat dort bereits am Samstag stattgefunden: ein Kochkurs mit den Profis vom Zauberlehrling – direkt auf der Straße vor den Stäffele. Bis zum 19. August gibt es Aktionen mit Musik, Sport und zwanglosen Treffen.

Johannes Heynold stammt aus Frankfurt. Kurz nach seinem Umzug nach Stuttgart hat der angehende Architekt schon seine Liebe für die Stäffele entdeckt. Kurz darauf wurde er auf das Reallabor der Uni aufmerksam und stellte seine Idee für die Stäffele Gallery dort vor. Er habe sich viele Gedanken gemacht, wie nachhaltige Mobilität aussehen kann, sagt Heynold. Es geht ihm auch um soziale Nachhaltigkeit: „Der Stadtraum hat eine große Bedeutung für die Menschen.“

Die nachhaltige Denkweise kommt bei den Bürgern gut an

Den Bürgern hat die Atmosphäre im Freien zugesagt. Renate Hammel kommt aus dem Schwärmen nicht mehr raus: „So eine goldige Idee“, sagt sie im Wohnzimmer. Auch die kleine Küche an der Finkenstaffel mit den Rezepten an der Wand und die Fotogalerie „So isst die Welt“, bestückt von Anwohnern aus aller Herren Länder, verzückt sie. Die 74-Jährige findet es toll, was junge Menschen auf die Beine stellen. „Sie haben immer die Nachhaltigkeit und den Menschen im Blick“, lobt sie. „Die wollen was verändern, und das ist gut so, weil man nicht immer im selben Trott leben kann.“