Der Tatort – das Hotel Intercontinental in Frankfurt am Main: Nach dem Tod einer Frau bei einer Teufelsaustreibung in einem Zimmer dieses Hotels hat die Staatsanwaltschaft Mordanklage gegen fünf Mitglieder einer südkoreanischen Familie erhoben. Foto: dpa

Unvorstellbar grausame Szenen müssen sich in dem Frankfurter Hotel abgespielt haben: Fünf Mitglieder einer Familie sollen eine Angehörige zwei Stunden gequält und schließlich getötet haben. Ihr Motiv: Exorzismus.

Frankfurt/Main - Ein halbes Jahr nach einer tödlich verlaufenen mutmaßlichen Teufelsaustreibung in einem Frankfurter Hotel hat die Staatsanwaltschaft fünf Verwandte des südkoreanischen Opfers wegen Mordes angeklagt. Unter den Angeschuldigten sind der 16 Jahre alte Sohn der Getöteten sowie dessen 15 Jahre alter Cousin, wie die Staatsanwaltschaft am Donnerstag mitteilte.

Gemeinschaftlicher Mord

Insgesamt hätten die fünf Angeklagten der Geschädigten über einen Zeitraum von mindestens zwei Stunden Schmerzen und Qualen körperlicher Art zugefügt, die über das für die Tötung erforderliche Maß weit hinausgingen, erklärte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen. „Infolge dieser grausamen Behandlung verstarb die Geschädigte schließlich aufgrund massiver Brustkorbkompression und Gewalteinwirkung auf den Hals.“ Sämtliche Angeschuldigte hätten ein Ersticken der Frau zumindest billigend in Kauf genommen.

An dem gemeinschaftlichen Mord sollen außerdem die Cousine des Opfers (44), deren Sohn (22) und deren Tochter (19) beteiligt gewesen sein. Die Jugendkammer des Frankfurter Landgerichts muss nun über die Anklage entscheiden.

Exorzismus am 5. Dezember 2015

Die sechs Familienmitglieder hielten sich am 5. Dezember 2015 gemeinsam in einem Zimmer des Hotels Intercontinental auf. Ihr späteres Opfer habe aus unbekannten Gründen in den frühen Morgenstunden angefangen, um sich zu schlagen, Selbstgespräche zu führen und körperlich aggressiv zu werden. Daraufhin habe sich der Rest der Familie entschieden, bei ihr eine „Teufelsaustreibung“ vorzunehmen.

Zu diesem Zweck hielten sie nach den Feststellungen der Anklagebehörde abwechselnd die Arme der Frau fest und drückten sie zu Boden. Die beiden Jugendlichen setzten sich auf die Beine des Opfers und hielten es fest, um Gegenwehr zu unterbinden. Der 22-Jährige presste die Schultern seiner Verwandten auf den Boden.

Die Angeschuldigten sollen zudem massiv auf den Brustkorb sowie die Schultern und den Bauch der Frau eingewirkt haben. Vermutlich knieten sie auf ihr. Die 44-Jährige umfasste den Hals ihrer Cousine und drückte ihr mehrfach ein kleines Handtuch und später einen stoffbezogenen Kleiderbügel in den Mund, um ihr Schreien zu ersticken. Der 22-Jährige hielt dabei den Kopf des Opfers fest.

Keine seelischen Störungen diagnostiziert

Alle Beschuldigten befinden sich seit der Tat in Untersuchungshaft. Die zwischenzeitlich eingeholten psychiatrischen Gutachten hätten bislang keine Hinweise auf das Vorliegen seelischer Störungen, die eine verminderte oder aufgehobene Schuldfähigkeit begründen könnten, ergeben, so die Gerichtssprecherin.

Die Beschuldigten sollen Christen sein – mit buddhistischen und schamanistischen Einflüssen. Welcher Kirche oder Sekte sie angehören, hätte aber nicht geklärt werden können, hieß es. Die 44-jährige Cousine des Opfers hatte nach der Tat einen Pfarrer der koreanischen evangelischen Zion-Gemeinde gerufen. Dieser verständigte die Hotel-Rezeption und die Polizei.

Was ist ein Exorzismus?

Exorzismus an strenge Regeln geknüpft

Johannes Lorenz vom Bistum Limburg erklärt, dass Teufelsaustreibungen in der Katholischen Kirche zwingend die Erlaubnis des Bischofs benötigten. Diese Erlaubnis sei an äußerst strikte Regeln geknüpft, die ärztliche und psychologische Gutachten miteinbeziehen würden.

Die Würzburger Historikerin Petra Ney-Hellmuth, die ihre Doktorarbeit über Teufelsaustreibungen geschrieben hat, berichtet, dass dennoch Exorzismen ohne kirchliche Genehmigung stattfänden. Wie viele es sind, lasse sich aber nur schwer schätzen.

„Die Täter glauben, etwas Gutes zu tun“

Was treibt Menschen zu einer Teufelsaustreibung? Der Wiesbadener Kriminologe Rudolf Egg sagt: „Die Täter glauben, etwas Gutes zu tun.“ Die Austreibung eines bösen Geistes könne dabei sogar den Tod rechtfertigen. Dadurch sei der angeblich von den bösen Geistern befallene Mensch wenigstens erlöst. Der emeritierte Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg verweist auf die Geschichte: Auch in der westlichen Welt sei es bei psychisch Kranken früher gängige Vorstellung gewesen, dass der Teufel von ihnen Besitz ergriffen habe.

Rituelle Austreibung böser Mächte

Unter Exorzismus wird die rituelle Vertreibung böser Mächte oder Geister aus Menschen, Tieren oder Gegenständen verstanden. In der Katholischen Kirche war der Exorzismus von „Besessenen“ im Mittelalter weit verbreitet. Heute unterliegt er strengen Auflagen. Zum Exorzismus (von griechisch: „exorkismós“ – Hinausbeschwören) gehören das Besprengen mit Weihwasser, die Anrufung Gottes und das Handauflegen.

In vielen Religionen ist der Teufel ein eigenständiges, übernatürliches Wesen. Im Christentum und im Islam ist er die Personifizierung des Bösen, der Fürst der Finsternis, die Quelle aller Niedertracht und alles Schlechten. Ein Wesen, das als Engel mit schwarzen Flügeln oder als Junker mit Pferdefuß in Erscheinung tritt. Im Buddhismus heißt er „Mara“ oder „Devadatta“ und ist ein Dämonenwesens.

Satanische Macht und höllische Verdammnis

Auch der Teufel ist nur ein Geschöpf

Nach christlicher Tradition ist auch Satans Macht begrenzt, denn er ist bloß ein Geschöpf. Ein mächtiger Engel zwar, aber gefallen und hinabgestürzt in das Reich der Finsternis, weil er sich gegen Gott auflehnte und deshalb von ihm verstoßen wurde. Ständig strebt er danach das Reich Gottes, dessen Kommen Jesus von Nazareth angekündigt hat, zu verhindern. Doch auch wenn sein boshaftes Tun die Welt in Chaos und Unfrieden stürzt, kann er die Heilsgeschichte nicht aufhalten.

In der Bibel ist die Hölle das finstere Reich des Teufels und der von Gott getrennten Toten, der Ort des endzeitlichen Strafgerichts, wo die Menschen für ihre Sünden ewig büßen müssen. Was über Jahrhunderte Allgemeingut der christlichen Kirchen, wird heute von der modernen Theologie verneint. Sie hat die Hölle in das Reich der Fabeln und Legenden verlegt.

Die Hölle ist ein Zustand und kein Ort

Die Hölle ist kein Ort, sondern ein Zustand der absoluten Ferne Gottes, des totalen Von-Gott-Verlassenseins. Es gibt keine Topografie der Unterwelt wie etwa den „Hades“ in der griechischen Mythologie. Die heutige Theologie erklärt die Verdammnis zu einer „Existenzform des Menschen . . . in der er unter dem Schmerz leidet, auf Gott verzichten zu müssen“. Die Katholische Kirche definiert Hölle als „Reinigungszustand“. Papst Johannes Paul II. (1920–2005) betont: „Die Hölle meint nicht so sehr einen bestimmten Ort, sondern vielmehr die Situation dessen, der sich frei und endgültig von Gott entfernt hat.“

Es gibt Menschen, die diesen Verlust der Gotteserfahrung allerdings so real und leibhaftig erleben, dass sie dies als Werk des Teufels deuten. Anders ist es wohl nicht zu erklären, dass die fünf Angeklagten im aktuellen Frankfurter Mordprozess ihre angeblich vom Teufel besessene Verwandte in einem obskuren und mörderischen Ritual zu Tode gequält haben.