Blick auf die Mahle-Zentrale in Stuttgart Foto: dpa

Die Mahle-Pläne zum Verkauf weiterer Werke stoßen den Beschäftigen sauer auf. „Das ist doch eine Farce“, kritisiert Gesamtbetriebsratsvorsitzender Uwe Schwarte das Management.

Stuttgart - Herr Schwarte, warum hat Sie die Ankündigung der Mahle-Geschäftsführung verärgert, dass die Schmiedeaktivitäten und damit zwei Werke verkauft werden sollen?
Sie müssen sich mal vorstellen, dass wir bei Mahle 16 Monate verhandelt haben bis eine Zukunfts- und Beschäftigungssicherung in trockenen Tüchern war. In dem Papier wurden sämtliche kritischen Werke aufgenommen – also Werke, die entweder roten Zahlen schreiben oder nicht mehr in die strategische Ausrichtung von Mahle passen. Dazu zählt auch die Schließung von Schwäbisch Hall und der Verkauf des Industriefiltergeschäfts, das den Standort Öhringen trifft. Das war für die Mitarbeiter eine schlimme Nachricht. In Summe ging es um neun Standorte. In den Verhandlungen mit der Geschäftsleitung haben wir Arbeitnehmervertreter dann darauf gedrängt, dass nicht immer nur kritische Standorte definiert werden, sondern auch mal eine Zukunfts- und Beschäftigungssicherung vereinbart wird.
Das ist ja auch gelungen.
Ja, aber jetzt ist die Tinte unter den Verträgen kaum trocken, da kommt schon die nächste Hiobsbotschaft, dass man wieder zwei Standorte verkaufen will.
Was werfen Sie dem Mahle-Management vor?
Man hat uns Arbeitnehmervertreter in dem Glauben gelassen, dass mit der vereinbarten Beschäftigungssicherung das Thema jetzt abgeschlossen ist. Ist es aber nicht. Das wird doch langsam zur Farce. Wir fragen uns, was dieses Papier eigentlich wert ist.
Wie fühlen Sie sich?
Wir fühlen uns hintergangen. Vermutlich wollte Mahle die Verhandlungen nicht noch mit weiteren Hiobsbotschaften belasten oder hat befürchtet, dass wir Arbeitnehmervertreter die Verhandlungen platzen lassen. Ich vermute, dass das Management Informationen zurückgehalten hat. Diese Verkaufpläne gab es sicher schon während der Verhandlungen, nur wurde die Katze nicht aus dem Sack gelassen. Was uns als Arbeitnehmervertreter zudem ärgert, dass es keine klare strategische Ausrichtung bei Mahle gibt.
Wie meinen Sie das?
Vor eineinhalb Jahren hat sich Mahle noch zum Verbrennungsmotor bekannt, mittlerweile bekennt man sich zu elektrifizierten Antrieben also Alternativen zum Verbrennungsmotor. Das Schlimme dabei ist, dass man uns als Arbeitnehmervertreter nicht mit nimmt auf diesem Weg. Das heißt, wir kennen die endgültige Strategie und deren Auswirkungen auf die Standorte nicht. Wir fordern den Arbeitgeber auf, uns mitzunehmen. Auch in der Vereinbarung zur Zukunfts- und Beschäftigungssicherung steht, dass Zukunftskonzepte erstellt werden sollen. Da unterstelle ich mal, dass es hier unterschiedliche Auffassungen gibt, was das ist.
Und welche sind das?
Unsere Gedanke als Vertreter der Mitarbeiter ist ein Umbau der Alt-Standorte - also weg vom Verbrennungsmotor hin zu elektrischen Antrieben. Da muss über Investitionen geredet werden, auch über die Qualifikation der Mitarbeiter und vieles andere, damit ein echter Umbau hin zu mit alternativen Produkten zum Verbrennungsmotor klappt. Wir Betriebsräte befürchten aber, dass die Geschäftsführung bei Mahle einen anderen Weg geht: Nämlich sich nach und nach von Produkten zu verabschieden, die Standorte nicht umzubauen, sondern auf Zukäufe zu setzen. Für die Alt-Standorte hätte das fatale Folgen auf lange Sicht. Mehrere Standorte könnten unter die Räder kommen, was hunderte von Arbeitsplätzen kosten könnte.
Schreiben die beiden Werke, die nun verkauft werden sollen, schwarze Zahlen?
Ja, das ist das Verwunderliche. Das gilt im Übrigen auch für die Industriefiltration, also den Standort Öhringen. In Plettenberg und Roßwein sind mehr als 600 Mitarbeiter betroffen. Sie stellen Motorenbauteile wie etwa Ausgleichwellen oder Pleuel sowie Schmiedteile her. Mahle argumentiert, dass solche Rohteile nicht mehr im strategischen Fokus stehen.
Was erwarten Sie von der Geschäftsführung?
Ich appelliere an die Geschäftsleitung, dass sie die abgeschlossene Zukunfts- und Beschäftigungssicherung bis Ende 2019 einhält - das heißt, dass es keine weiteren Maßnahmen wie Verkauf oder Ähnliches mehr gibt. Außerdem erwarte ich, dass sie uns mitnimmt, was die Strategie angeht. Das ist für Alt-Mahle lebensnotwendig, hier wollen wir mitgestalten.
Wie verfahren Sie jetzt weiter?
Wir haben das Thema an den Aufsichtsrat adressiert und eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung beantragt. Wir fühlen uns einfach hintergangen. Die Geschäftsleitung argumentiert, dass es sich bei der Vereinbarung nicht um eine Standortsicherung, sondern eine Beschäftigungssicherung handle. Es geht doch auch um moralische Gesichtspunkte. Es geht um die Frage, wie stehe ich zu dem, was ich vereinbart habe. Vor solchem Hintergrund muss man sich schon fragen, was das Wort Zukunftssicherung für die Geschäftsleitung bedeutet.
Wie haben die Mitarbeiter Verkaufspläne aufgenommen?
Die waren schockiert. Ich im Übrigen auch, als ich es erfahren habe. Als ich das den Betriebsratsvorsitzenden vor Ort erläutern musste, fielen die aus allen Wolken. Hinter den Mitarbeitern stehen ja auch Familien. Ein Verkauf kann gut sein, aber auch ins Negative gehen. Aber der Punkt ist doch: Man denkt jetzt ist erst mal Ruhe für die nächsten Jahre, weil man einen Vertrag unterzeichnet hat - dann trifft so eine Hiobsbotschaft umso härter.