Station F in Paris: Das in einem alten Pariser Güterbahnhof errichtete Start-up-Zentrum will als weltweit größte Brutstätte für junge Unternehmen Furore machen Foto: AFP

Dank der finanziellen Unterstützung von Milliardär Xavier Niel entsteht auf 34 000 Quadratmetern in einem alten Bahnhof in Paris eine Brutstätte für Start-ups.

Paris - Der Raum an der westlichen Fassade der Station F erinnert an ein Café. Er ist aber keines. Sissi Haidar, die Geschäftsführerin, legt großen Wert auf diese Feststellung. „Das ist ein Anticafé“, sagt die 30-jährige Französin, „eines von neun, die es mittlerweile in Frankreich und Italien gibt.“

Ein gewöhnliches Café im kürzlich eingeweihten größten Start-up-Inkubator der Welt – das hätte ja auch nicht gepasst. Wo in den ehemaligen Lagerhallen des Pariser Bahnhofs Austerlitz rund 1000 junge Unternehmen mit Überkommenem brechen, dank innovativer Geschäftsideen und Technologie den großen Durchbruch schaffen wollen, sähe ein herkömmliches Café ja auch alt aus.

Im Anticafé verheißen Logen und Sichtblenden der mit Laptop, Smartphone und Kopfhörer anrückenden Kundschaft Vertraulichkeit. Wer Strom braucht, zieht eine der Steckdosen zu sich herab, die an Kabeln hängend über den Köpfen baumeln. Zudem stehen Videoprojektoren, Drucker und Scanner zur Verfügung. Wer Entspannung sucht, setzt den Kopfhörer ab, lässt sich von leiser Musik berieseln. Ansonsten gilt: Zeit ist Geld. Kostenpflichtig ist nicht der Konsum von Kaffee, Keksen und Kuchen, sondern die Dauer des Aufenthalts. Dass die von Haidar zum Gespräch gebetene Mitarbeiterin im Yogasitz Rede und Antwort steht, fügt sich vortrefflich ins innovative Bild.

Die Station F in Paris wurde vom Präsidenten persönlich eingeweiht

Um den Rest der von Staatschef Emmanuel Macron kurz vor den Sommerferien eingeweihten Station F kümmert sich ebenfalls eine Frau. Roxanne Varza, 32 Jahre jung, ist Direktorin des 34 000 Quadratmeter großen Ökosystems. Die aus Palo Alto im kalifornischen Silicon Valley stammende Tochter iranischer Einwanderer hat es nach dem Vorbild eines amerikanischen Campus gestaltet. Der Inkubator beherbergt nicht nur aufstrebende Unternehmen mit vielversprechenden Geschäftsideen, sondern auch an ihnen interessierte finanzkräftige Partner wie Facebook, Apple oder Microsoft. Wohnraum für junge Gründer soll hinzukommen. Insgesamt 600 Zimmer will die Station F anbieten.

Ziel ist es, die Attraktivität Frankreichs als Hightechland und Start-up-Standort zu mehren. Was das in Firmengründungen und Start-up-Projekte investierte Kapital betrifft, hat Frankreich im europäischen Ranking Deutschland überrundet und liegt zurzeit hinter Großbritannien auf Platz zwei. Nun wollen die Franzosen auch noch den Spitzenreiter verdrängen.

Frankreich will als High-Tech-Land attraktiver werden

Möglich gemacht hat das ehrgeizige Vorhaben der Multimilliardär Xavier Niel. Der Gründer des Telekom-Anbieters Free hat 250 Millionen Euro investiert – angeblich ohne irgendeine Rendite zu erwarten. Staatschef Macron wiederum hat bereits in seiner Zeit als Wirtschaftsminister Start-ups kräftig gefördert, neue Fonds geschaffen oder auch Unternehmensgründern zugutekommende Steuererleichterungen auf den Weg gebracht.

Alex hat keine Zeit zum Kaffeetrinken. Entschlossenen Schrittes geht der 28-jährige Franzose auf die Glasschleuse zu, die allein Befugten den Weg zu den Büros freigibt. Mit Lederjacke, Dreitagebart und der Andeutung eines Lächelns strahlt er eine Zwanglosigkeit und einen Optimismus aus, den Start-up-Unternehmern im Allgemeinen nachgesagt wird – und besonders den Glücklichen, die sich nach bestandener Zulassungsprüfung in der Station F einquartieren dürfen.

Als Computeringenieur stellt sich Alex vor. Wie viele seiner Kollegen arbeitet er in den ehemaligen Güterbahnhofshallen an der Entwicklung neuer Apps. „Alle träumen wir davon, dass irgendwann Microsoft vorbeischaut und unsere Idee für viele Millionen kauft“, erzählt er. Die Chancen, dass der Traum für ihn in Erfüllung geht, sind gestiegen. In einem der zahlreichen kleinen Inkubatoren, die rund um Paris entstanden sind, hatte Alex mit ein paar Kumpeln bisher getüftelt, „eine fensterlose Garage, fernab von möglichen Gönnern, Förderern, Investoren“. Künftig arbeitet er mit ihnen unter einem Dach und hat dank der in der Station F abgehaltenen Konferenzen vielfältige Möglichkeiten, mit ihnen in Kontakt zu kommen.

Auch Microsoft fördert Projekte in der Station F

So fördert Microsoft in der Station F Projekte zur Entwicklung künstlicher Intelligenz, der französische Konzern Thales unterstützt Start-ups, die sich mit Cybersicherheit befassen, das südkoreanische Unternehmen Naver gibt Geld für Multimediaprojekte. „Das Büro hier kostet mich nur 195 Euro – ein Nichts, gemessen an Pariser Mieten“, sagt Alex.

Die 310 Meter lange ehemalige Bahnhofshalle ist in drei Gebäudeabschnitte unterteilt. Create, Share und Chill heißen sie. Die Namen signalisieren, worum es jeweils geht. Der Westflügel ist kreativer Arbeit vorbehalten, der Mittelbereich dem Austausch mit Partnern, der Ostflügel der Erholung. Als Besprechungszimmer dienen übergroße Containerboxen. Vor ihnen platzierte Bohnensäcke laden dazu ein, sich nach Diskussionen zwanglos hinzufläzen. Alternativ lässt sich aufgestaute Spannung auch beim Tischfußball abbauen. Fragt sich noch, wer in diesem Ökosystem aufblühen und zu den großen Gewinnern zählen wird. Roxanne Varza weiß, dass dies nur wenigen vergönnt sein wird. Ein Seminar für Verlierer bietet sie an, in dem gescheiterte Gründer von ihren Fehlern berichten, damit Kollegen daraus lernen können.