Für den HSV-Torwart René Adler ist Timo Werner zu schnell. Foto: Getty

Mit dem VfB Stuttgart ist Timo Werner abgestiegen, jetzt ist er wieder obenauf. Zwei Tore hat der Leipziger Stürmer beim 4:0 gegen den HSV erzielt – auch weil es in der RB-Kabine ganz anders zugeht als früher in Stuttgart.

Hamburg/Stuttgart - Es hat nicht lange gedauert, bis Timo Werner zu der Erkenntnis kam, dass es bei RB Leipzig ganz anders zugeht als beim VfB Stuttgart. Ein Erweckungserlebnis war es für den Stürmer, als er beim ersten Saisonspiel neulich in Hoffenheim (2:2) mit seinen neuen Teamkollegen in der Kabine saß. „Wie die Mannschaft zusammenhält, vor dem Spiel und in der Halbzeit – das ist wirklich Wahnsinn“, berichtete Werner hinterher staunend: „Wie jeder den anderen mitreißen will, das habe ich so bisher noch nicht erlebt.“

Also war es dem 20-Jährigen ein Bedürfnis, möglichst schnell auch seinen Beitrag zur guten Stimmung beim Bundesliganeuling zu leisten. Sehr eindrucksvoll ist ihm dies am Samstag gelungen: Beim imposanten 4:0-Auswärtssieg in Hamburg holte Werner nicht nur den Elfmeter heraus, der zum Führungstreffer führte, sondern erzielte anschließend auch seine ersten beiden Saisontore. Er war der Mann des Tages – und hatte entscheidenden Anteil daran, dass Leipzig nun mit sieben Punkten nach drei Spielen direkt hinter den Bayern auf Platz zwei steht. Besser ist ein Aufsteiger seit einem Vierteljahrhundert nicht in die Saison gestartet.

In Stuttgart hat Timo Werner immer neue Trainer und Spielsysteme erlebt

Erfolg, Tore, Teamgeist – Timo Werner dürfte fast vergessen haben, wie sich das alles anfühlt. Bis zu diesem Sommer hatte er, von den Bambinis des TSV Steinhaldenfeld abgesehen, keinen anderen Club als den VfB Stuttgart gekannt. Jahrelang (und am Ende erfolglos) musste er gegen den Abstieg in die zweite Liga kämpfen, erlebte unzählige Trainer, immer neue Spielsysteme, regelmäßige Enttäuschungen. Denkbar schlechte Rahmenbedingungen für die Entwicklung eines jungen Spielers.

Aus dem unbekümmerten Jungstar, der mit 17 die Bundesliga im Sturm erobert hatte und bis heute jüngster Doppeltorschütze in der Bundesligageschichte ist, wurde ein sichtbar frustrierter Angreifer, an dem die Zweifel immer größer wurden. Einen Aufschrei der Empörung gab es am Ende nicht mehr, als der VfB sein größtes Talent aus dem eigenen Nachwuchs, das doch ursprünglich als Versprechen auf eine erfolgreiche Zukunft gegolten hatte, für zehn Millionen Euro verkaufte. Auch Werner war eines der Gesichter des Abstiegs.

Seit dem Wechsel nach Leipzig folgen Schmähungen der VfB-Fans

Als Neuanfang und gleichzeitig als Befreiung dürfte Werner den Abschied aus der Heimat empfunden haben. Endlich raus aus dem Mief des ewigen Niedergangs, endlich nicht mehr nur ein Eigengewächs sein, sondern ein gestandener Bundesligaprofi, endlich eine eigene Wohnung beziehen und auf eigenen Beinen stehen. „Stuttgart hat nicht mehr zu mir gepasst“, sagte Werner. Dass er zum Red-Bull-Club nach Leipzig ging, bescherte ihm zwar Schmähungen von Kevin Großkreutz und den VfB-Fans, die ihn beim ersten Zweitligaspiel auf Bannern wüst beleidigten – doch Werner nimmt es gelassen: „Am Ende muss jeder für sich schauen, dass er das Optimale für sich herausholt. Das habe ich gemacht.“

Zweifel begleiteten ihn allerdings auch nach Leipzig. Ob er zum schnellen Kurzpassspiel des Aufsteigers passen würde? Ob er sich gegen Konkurrenten wie Davie Selke, Yussuf Poulsen, Emil Forsberg oder Marcel Sabitzer durchsetzen könne? Ob er nicht womöglich überschätzt sei? In den Vorbereitungsspielen saß Werner meistens auf der Bank – doch siehe da: Als die Liga losging, stand er auf dem Platz. Starke Leistungen bot er schon in Hoffenheim und gegen Dortmund (1:0), ehe er in Hamburg zum Matchwinner wurde. Von der Bank kam Werner diesmal in der zweiten Hälfte, mit einem klaren Auftrag, den ihm Ralph Hasenhüttl nach dem Frühstück erteilt hatte: „Der Trainer hat mir beim Spaziergang gesagt, dass ich ein Feuerwerk abbrennen soll, wenn ich reinkomme.“ Auftrag erledigt – „mit seiner Schnelligkeit ist er kaum zu halten“, sagte Hasenhüttl.

Werner konnte hinterher kaum glauben, was passiert war: „Das ist natürlich unglaublich, dass wir hier 4:0 gewonnen haben.“ Nicht das erste und wohl auch nicht das letzte Mal, dass der Stürmer aus dem Staunen kaum heraus kommt.