Einer der Angeklagten, wie er ins Gericht geführt wird. Foto: Lichtgut / Oliver Willikonsky

Nach der Prügel-Attacke auf den ehemaligen Spieler des VfB Stuttgart Kevin Großkreutz vor acht Monaten sind die beiden jugendlichen Täter bestraft worden. Ihre Strafen fielen allerdings niedriger aus als von der Staatsanwaltschaft gefordert.

Stuttgart - Alle wissen, dass Kevin Großkreutz am Donnerstag beim Prügel-Prozess im Stuttgarter Amtsgericht aussagen soll – nur der Fußballprofi weiß es angeblich nicht. Zum zweiten Mal ließ er das Jugendschöffengericht ins Abseits laufen. Dabei geht es um ihn als Gewaltopfer, das am 28. Februar bei einer nächtlichen Tour durchs Rotlichtviertel von zwei Jugendlichen schwer verletzt wurde – und danach seinen Job beim VfB Stuttgart verlor.

Großkreutz muss kein Ordnungsgeld bezahlen

Doch der 29-jährige Großkreutz fehlt am Donnerstag erneut im Zeugenstand. Beim ersten Mal hatte er noch ein Krankheitsattest per Fax geschickt – diesmal fehlt er unentschuldigt. Ein böses Foul? Staatsanwältin und Verteidiger wollen, dass Großkreutz ein Ordnungsgeld von 1000 Euro zahlt. „Jeden anderen hätte man von der Polizei vorführen lassen“, schimpft einer der Verteidiger. Jugendrichterin Muriel Leonhard ist da etwas kleinlauter: „Die Vorladung ist raus“, sagt sie, „aber es gibt keine Zustellungsurkunde.“ Ein klassisches Eigentor: Großkreutz müsse kein Ordnungsgeld zahlen, weil die Vorladung „leider nur formlos“ zugestellt worden sei, stellt die Richterin fest. Laut Rechtsprechung muss die Ladung „nachweislich“ angekommen sein.

Ein dritter Anlauf bleibt Großkreutz erspart. Abpfiff durch Urteil: Vor Gericht geht es schließlich um zwei ganz andere Akteure, nämlich die Angeklagten – 17 und 18 Jahre alt, einschlägig vorbestraft. Richterin Leonhard verurteilt die beiden wegen einfacher beziehungsweise gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren und neun Monaten beziehungsweise einem Jahr und sieben Monaten Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte dreieinhalb Jahre sowie zwei Jahre und vier Monate gefordert.

„Beim Jugendstrafrecht steht der Erziehungsgedanke vor der Sühne“, erklärt die Richterin. Allerdings seien bei den Angeklagten durchaus schädliche Neigungen zu erkennen, die ohne Jugendstrafe oder nur mit der bereits absolvierten Untersuchungshaft nicht zu bessern seien. Es gebe ein hohes Gewaltpotenzial. Das zeigten auch die Vorstrafen der beiden.

Der jüngere Täter hat Großkreutz an den Kopf getreten

Der Jüngere, ein 17-Jähriger aus Geislingen, hatte mit seinem Tritt gegen den Kopf des 29-jährigen Profis erhebliche Verletzungen verursacht. Er war wenige Monate vor der Tat wegen anderer Gewaltdelikte in Esslingen zu zwei Jahren Jugendhaft auf Bewährung verurteilt worden. „Ich habe meine Familie ein zweites Mal enttäuscht“, sagt er. Der Jugendgerichtshelfer bescheinigt dem 17-Jährigen „mangelnde Impulskontrolle unter Alkohol und in einer Gruppendynamik“.

Der 18-Jährige aus Esslingen gab vor Gericht zu, den ersten Schlag gegen Großkreutz geführt zu haben. Dieser habe aber, betont der Antwalt des 18-Jährigen, das Ganze erst provoziert habe, indem er sich „wild fuchtelnd“ einmischte, als der Streit „seiner“ VfB-Jugend mit einer Esslinger Gruppe schon vorbei war – und er habe einen der Beteiligten geschubst. Doch auch das Kerbholz des 18-Jährigen ist gut bestückt – mit Einbrüchen, Körperverletzung, Diebstahl. Am Esslinger Bahnhof hatte er auf die Unterarme zweier Jugendlicher eingestochen, um sein neues Messer „einzuweihen“.

Das war nur gut zwei Wochen vor seiner Begegnung mit Großkreutz. Der musste sich danach fragen lassen, warum er mit VfB-Jugendlichen durchs Rotlichtviertel gezogen war. Und er wurde entlassen. Deshalb kickte er am Donnerstag auf dem Trainingsplatz des Zweitligisten SV Darmstadt.