Rainer Brechtken sieht sich noch immer als politischen Menschen. Foto: Baumann

Er war Politiker, OB-Kandidat und Sportfunktionär. An seinem 75. Geburtstag blickt Rainer Brechtken zurück und sorgt sich zugleich um die Zukunft der Sportvereine.

Stuttgart - Eigentlich war ja alles ganz anders geplant. Mit einer schönen Feier, mit alten Wegbegleitern, mit ein bisschen Trubel. Und nun? Feiert Rainer Brechtken seinen 75. Geburtstag an diesem Samstag in sehr ruhiger Atmosphäre – gemeinsam mit seiner Frau Heidegard im Allgäu. „Ich hätte mich gefreut, viele alte Freunde mal wieder zu sehen“, sagt der Schorndorfer, „aber es gibt derzeit Wichtigeres als meinen Geburtstag.“

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Ein bisschen Zurückblicken wird er wohl dennoch vor oder nach dem Geburtstagsessen – und zwar auf ein bewegtes bisheriges Leben. Bis 1974 arbeitete der gebürtige Ludwigsburger in der Schorndorfer Stadtverwaltung, 1980 zog er als Abgeordneter der SPD in den baden-württembergischen Landtag ein, dem er bis 2001 angehörte. 22,6 Prozent der Stimmen erhielt er 1996 bei der Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart im ersten Wahlgang, am Ende wurde der CDU-Kandidat Wolfgang Schuster ins Amt gewählt. Und Brechtken widmete sich noch mehr seiner zweiten Leidenschaft neben der Politik. Dem Sport.

16 Jahre lang Präsident des DTB

Der Mann, der sich gerne als „Maulturner“ bezeichnete, hatte bereits 1994 die Führung des Schwäbischen Turnerbundes (STB) übernommen, vom Herbst des Jahres 2000 stand er 16 Jahre lang an der Spitze des Deutschen Turnerbundes (DTB) – und hat aus dieser Zeit vor allem eines mitgenommen: „Arbeit lohnt sich.“

Die Leistungssportstrukturen hat er zusammen mit seinen Mitstreitern umgestaltet, in seine Amtszeit fallen zahlreiche große Erfolge, etwa die Ära Fabian Hambüchen, zudem holte der DTB Großereignisse ins Land – etwa die Turn-WM 2007 in Stuttgart. Und im deutschen Turnen gelten soziale Standards in der Betreuung der Sportlerinnen in Sportler, die anderswo nicht immer erreicht werden. Der Sport, nicht nur der Turnsport, liegt dem passionierten Läufer am Herzen.

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In 4:30 Minuten lief er einst den Kilometer – „und das gleich 42-mal“, wie er erzählt. Zahlreiche Marathonrennen hat Brechtken bestritten. Heute lächelt er zufrieden über diese Zeit, die „ich nun nicht mehr schaffe“. Aber er ist aktiv geblieben, dreimal die Woche schnürt er die Laufschuhe. Und auch den Funktionär Brechtken gibt es noch – in der Deutschen Kinderturnstiftung, und in Reihe zwei der Vorstandschaft der SG Schorndorf.

Sorgen um die Ehrenamtlichen

Als solcher blickt er aufgrund der Corona-Pandemie mit Sorgen in die Zukunft. Der Mitgliederschwund in den Sportclubs sei derzeit wie immer, aber es fehle der Ausgleich durch Neueintritte. Zudem werden die Herausforderungen für die Ehrenamtlichen in den Vereinen immer größer. „Die Leute werden müde“, warnt Brechtken und fordern von Verbänden und Politik: „Es braucht Beratung, Unterstützung und Motivation.“

Letztere fehlt Brechtken auch mit 75 Jahren nicht. Zum Beispiel in Diskussionen um die herrschende Lage. „Eine unglaubliche Wut“ packe ihn, wenn er Menschen sehe, die „sich auf den Marktplatz stellen und schreien: drei mal drei ist zehn“. Da hält er dagegen. „Ich bin“, sagt Rainer Brechtken, „immer noch ein politischer Mensch. Und ein sportpolitischer.“