Bleibt auch nach seiner Zeit als DLV-Präsident ein engagierter Kämpfer gegen Doping: Clemens Prokop. Foto: dpa

Clemens Prokop, der frühere Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, kritisiert den fehlenden Aufklärungswillen der Fußball-Weltverbandes und unterstellt dem IOC einen Handel mit Russland.

Stuttgart - Für Clemens Prokop ist klar: Doping spielt auch im Fußball eine Rolle. Der Experte kritisiert: Das Kontrollsystem ist im Vergleich zu anderen Sportarten ungenügend.

Herr Prokop, was macht der russische Dopingskandal mit der Fußball- WM 2018?
Die Vorkommnisse bei den Winterspielen 2014 in Sotschi werfen einen Schatten auf die Weltmeisterschaft in Russland.
Das wird den Fußball allerdings nicht übermäßig kratzen.
Warten wir mal ab. Der russische Whistleblower und Kronzeuge Grigori Rodtschenkow hat ja behauptet, dass auch im Fußball Dopingproben manipuliert worden sind. Russland leugnet aber alle Vorwürfe – trotz drückender Beweise. Deshalb stellt sich die Frage, ob dieses Land als Gastgeber der Fußball-WM, aber auch anderer internationaler Sportveranstaltungen derzeit geeignet ist.
Russland ist ein Wachstumsmarkt für die Sportbranche und deren Sponsoren.
Das mag sein, umso mehr stellt sich die Frage: Was ist im Sport wichtiger – Kommerz oder Ethik?
Wie lautet Ihre Antwort?
Im Umgang mit Russland habe ich den Eindruck: Kommerz und politische Taktik sind wichtiger. Aber das ist kurzfristig gedacht, langfristig zerstört das den Sport und führt zu seiner Auflösung.
Woran machen Sie Ihre Kritik fest?
Die derzeitige Situation ist reichlich skurril: Einer der Hauptbeschuldigten in einem nie da gewesenen Dopingskandal wird vom Internationalen Olympischen Komitee lebenslang gesperrt, gleichzeitig tritt er aber als Organisator der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 auf.
Sie meinen Russlands Sportminister Witali Mutko.
Ja, das passt überhaupt nicht zusammen. Es handelt sich um einen Widerspruch, der darauf schließen lässt, wie es die Spitze des Fußball-Weltverbandes mit ethischen Maßstäben hält.
Sie versucht, die Probleme auszusitzen?
Es sieht zumindest danach aus. Die Verdachtsmomente gegen den russischen Sport und Herrn Mutko gibt es schon seit über einem Jahr, das IOC und die Fifa hätten viel früher handeln müssen.
Was erwarten Sie von der Fifa-Führung um ihren Präsidenten Gianni Infantino?
Das IOC hat in der Vergangenheit diese Krise der Glaubwürdigkeit auch nur auf der kleinstmöglichen Flamme gekocht. Man hat lange so getan, als basierten die Dopingenthüllungen um das russische Team nicht auf einem betrügerischen und staatlich unterstützten Sport-System, sondern auf individuellen Verfehlungen einzelner Athleten. Spätestens jetzt müsste auch die Fifa erkennen, dass sie mit der WM in Russland ein Problem hat. Sie kann nicht mehr so tun, als sei nichts gewesen.
Was fordern Sie?
Die neue Ethikkommission der Fifa müsste doch längst schon ermitteln und bis zur Klärung der Vorwürfe Witali Mutko zumindest suspendieren. Sie müsste sich die Ergebnisse der IOC-Ermittler vorlegen lassen und dann eine endgültige Entscheidung treffen.
Zweifeln Sie am generellen Willen der Fifa, die Vorwürfe gegen den WM-Gastgeber zu klären?
Es sieht zumindest danach aus, dass der Weltverband kein großes Interesse hat, irgendwelche Konsequenzen zu ziehen – aus welchen Gründen auch immer.