Wolfgang Hagemann in der Rock Factory. Im Hintergrund gibt’s Live-Action. Foto: privat

Ein Leben für Rock und Heavy Metal: Wolfgang „Hasche“ Hagemann ist nach dem Ende der legendären Ludwigsburger Rockfabrik nach Thailand ausgewandert. Dort ist er Manager in der „Rock Factory“.

Es kann schon mal vorkommen, dass der Laden geflutet wird. „Hier regnet es ja drei-, viermal im Jahr richtig, richtig stark“, sagt Wolfgang Hagemann, den aber alle nur „Hasche“ rufen. Und dann sammle sich das Wasser eben in der Soi Buakhao, einer der am tiefsten gelegenen Straßen im thailändischen Pattaya. „Vor allem in die Küche und die Toiletten drückt es dann, auch von unten“, berichtet der 61-Jährige, „so was wie Rückschlagventile gibt’s hier nicht.“ Er selbst und die Mitarbeiter der „Rock Factory“ stellen dann Pumpen auf und machen sich mit Eimern ans Werk. „Das Gute ist, dass das Ganze nie länger als eine Stunde dauert“, sagt Hagemann. „Das ist für alle hier ganz normal.“

 

Mit Wasser kennt Hasche sich aus. Der Mann, den viele vor allem als einen der Betreiber der verblichenen Ludwigsburger Rockfabrik kennen, ist zwar in München geboren. Aufgewachsen ist er allerdings in Hamburg, quasi an der Waterkant. Und dort legte er auch den Grundstein zu dem, was ihn im Musikbusiness noch heute zu einer echten Marke macht.

Mitbegründer der Band Running Wild

Gemeinsam mit „Rock’n’Rolf“ Kasparek gründete er als Schlagzeuger eine der bekanntesten deutschen Heavy-Metal-Bands aller Zeiten: Running Wild. Die ersten drei Alben trommelte er ein, dann trennten sich 1987 die Wege. Hagemann verschlug es in den Süden, 32 Jahre lang war er für das Booking in der Ludwigsburger Rofa verantwortlich. Jetzt ist es Thailand, und statt der Rockfabrik managt er im Badeort Pattaya mit seinen etwa 120 000 Einwohnern die Rock Factory. Dass dort die Rückwand der Bühne mit ihrem gewellten Blech samt blitzumzucktem Logo an den Eingang eines gewissen Headbang-Tempels in der Ludwigsburger Groenerstraße erinnert, ist kein Zufall. . .

Doch zurück zum Start: Anfang 2020 stand nicht nur die Abwicklung der von vielen so geliebten Ludwigsburger Rock- und Metaldisco an. Auch Hagemanns Leben in Deutschland ging zu Ende. Im Sommer 2019 hatten die Auswandererpläne des Thailand-Fans erste konkrete Konturen angenommen. Sein Freund Hansi Rothfuß hatte sich gemeldet, mit der Idee, in Pattaya eine Rockbar zu bauen und zu eröffnen. Rothfuß, eigentlich Stuttgarter, lebte schon lange in dem asiatischen Land, und Hagemann war dabei. Obwohl er sagt: „Wenn es mit der Rofa in Ludwigsburg nicht zu Ende gegangen wäre, wäre ich wahrscheinlich nicht ausgewandert.“ Eigentlich habe er sich erst mit 63 in Thailand niederlassen wollen, als Frührentner, hier und da noch ein bisschen was aufziehen, gern im Rock- oder Metalbereich. Dann gab’s aber doch den Neustart im Veranstaltungs- und Gastrobusiness – jedoch zum allerungünstigsten Zeitpunkt, den er sich hätte aussuchen können.

Hagemann lebt quasi umsonst im Haus eines Freundes

Am 1. März 2020 fing er in der Rock Factory an, ab 15. März 2020 stand zu Beginn der Coronapandemie plötzlich alles still. „Das war natürlich eine Katastrophe, auch wenn wir davon ausgegangen sind, dass das alles recht schnell wieder vorbei ist“, sagt Hagemann. Die Rock Factory war zu diesem Zeitpunkt gerade gut fünf Monate geöffnet. Dass es die Location heute noch gibt und Hagemann nach wie vor in Thailand weilt, liegt auch daran, dass er auf Erspartes zurückgreifen konnte – und in Pattaya mit seiner Freundin umsonst wohnen kann. Für einen Freund hält er dessen Haus in Schuss. „Und das Leben hier kostet nicht viel“, fügt er hinzu. Die alte Heimat vermisse er nicht wirklich. „Die Menschen hier sind so freundlich und höflich, das gibt es in Deutschland gar nicht mehr“, sagt er.

Kontakte hat er auch in Thailand bereits unzählige geknüpft. Das geplante Video-Telefonat muss er um einen Tag verschieben. Grund: „Ich hab‘ mich mit dem Präsidenten der Burapa Bike Week getroffen und mit ihm ein bisschen besprochen, wie die Rock Factory da mit im Boot sein könnte“, sagt Hagemann nicht ohne Stolz. Die Bike Week steigt vom 9. bis 11. Februar und ist eines der größten Events in ganz Thailand, zu dem Hunderttausende Motorradfans in Pattaya zusammenkommen.

Die Hausband der Rock Factory kommt von den Philippinen

Allerdings: Wenn Hagemann von der Rock Factory erzählt, rutscht ihm im Video-Telefonat zwischen zwei Zigaretten das ein oder andere Mal die „Rockfabrik“ heraus. Dann muss er selbst lachen. Scheinbar bekommt man Hasche zwar aus der Rofa, aber die Rofa nicht aus Hasche. Das wäre nach so vielen Jahren wohl auch ein Wunder. Und die Freude ist jedes Mal groß, wenn ein alter Bekannter in Pattaya aufkreuzt. So wie vor Kurzem sein alter Rofa-Kumpel Rüze, der auf der geschäftlichen Durchreise einen Überraschungszwischenstopp eingelegt hat. „Ich hab‘ gedacht, ich seh‘ nicht richtig“, sagt Hagemann, der für gewöhnlich von 19 Uhr bis 3 Uhr zugegen ist und mit dem Motorroller hin und wieder zurück fährt. Von solchen Aktionen schwärmt er – ebenso von der Haupt-Hausband der Rock Factory, die an fünf Tagen pro Woche aufritt. Reload X nennt sich die Gruppe. Und auch die Geschichte, wie die Location zur Combo kam, ist eine Story für sich. Mit Hansi Rothfuß weilte Hagemann schon vor Eröffnung der Rock Factory im Urlaub auf den Philippinen. Dort trat in einer fast vollkommen leeren Rockbar eine Band auf. „Und die war so dermaßen gut, dass schon da klar war: Wenn der Laden mal steht, wollen wir die haben.“

250 Coverversionen im Repertoire

So kam es tatsächlich. 250 Rock- und Metal-Coverversionen finden sich inzwischen im Repertoire, auch härterer und unbekannterer Stoff wie Helloween, Accept, Dream Theater oder Queensryche. „Es gibt in Thailand unzählige Rockkneipen, und es wird auch fast nur gecovert“, sagt Hagemann. Die Rock Factory wolle da herausstechen, aus dem Einheitsbrei aus „Smoke on the Water“ und „Paranoid“. Größere Bands machen fast nie in Thailand Station. Neulich traten allerdings die großen Guns n’ Roses in der Hauptstadt Bangkok auf, was etwa 130 Kilometer nördlich liegt. Über Kontakte hatte Hagemann sogar einen Backstagepass ergattert – erkrankte jedoch einen Tag vor dem Auftritt. „Das hat mich extrem geärgert, da hätte man viele neue Bekanntschaften knüpfen können.“

Rock Factory und Wacken? Das ist alles andere als undenkbar

Apropos Kontakte: Bereits seit einiger Zeit diskutiert Hagemann mit Wacken-Macher Thomas Jensen über dies und das. Vor Corona war ein Modell im Gespräch à la „Full Metal Holiday“. Die Ferien mit Rockbeschallung ziehen die Organisatoren des gigantischen Open Airs auf Mallorca durch. „Während Corona hatten die aber auch andere Sorgen“, sagt Wolfgang „Hasche“ Hagemann.

Ein „Metal Battle Thailand“ für kleinere Bands, dessen Sieger dann beim Open Air in Schleswig-Holstein auftreten darf, ist jedoch nicht vom Tisch. Mit Beteiligung der Rock Factory, das versteht sich von selbst. Die dortige Anlage ist modern, der Sound laut Hagemann super. Bei kleineren Musikfestivals, bei denen Gruppen aus dem thailändischen Rock- und Metal-Untergrund auftreten, passen etwa 150 Menschen in den Laden.

Wenn er gerade überflutet ist, sind es ein paar weniger. . .

Wie die Rock Factory zu ihrem Namen kam

Der Name
 Die Idee zum Namen „Rock Factory“, was auf Deutsch eben exakt „Rockfabrik“ heißt, hatte mitnichten Wolfgang Hagemann selbst. Vielmehr sei es der Vorschlag eines Bekannten gewesen, nachdem man sich vorab viele, viele Gedanken gemacht habe. „Es stand sogar im Raum, den Laden tatsächlich ‚Rockfabrik’ zu nennen. Das ist ein Name, den man sich nicht schützen lassen kann“, so Hagemann.

Die Kontakte
 Zu seinen ehemaligen Rofa-Mit-Machern Chris Albrecht und Johannes „Otto“ Rossbacher hat Wolfgang Hagemann nur noch sporadischen Kontakt – wenn überhaupt. „Wie das halt so ist, schlafen manche Sachen mit der Zeit ein“, sagt er. Natürlich schreibe man sich ab und zu über die Sozialen Medien. „Mehr aber auch nicht.“

Online
Wer sehen möchte, was sich in der Rock Factory so tut, surft im Internet hier vorbei: www.facebook.com/Rockfactorypattaya .