Velimir Petkovic hat gut Lachen – dem ehemaligen Frisch-Auf-Trainer macht die Doppelfunktion als Chefcoach der russischen Nationalmannschaft und von ZSKA Moskau viel Spaß. Foto: imago/Jozo Cabraja

Am Ostersonntag treffen Frisch Auf Göppingen und die Füchse Berlin aufeinander. Velimir Petkovic blickt von Moskau aus auf dieses Handball-Bundesligaduell. Der 64-Jährige spricht über seine Ex-Clubs, sein Leben in Russland und den Umgang mit Corona.

Moskau/Stuttgart - Velimir Petkovic nimmt den Anruf aus der Heimat in einem Restaurant in Moskau entgegen. Die Hintergrundgeräusche lassen es erahnen: Es ist voll besetzt – genauso wie fast alle Bars, Geschäfte und teilweise auch die Sporthallen, wie der Handball-Trainer der russischen Nationalmannschaft und von ZSKA Moskau bestätigt. „Die Leute führen ein normales Leben, sie sprechen nicht mehr groß über Corona“, berichtet der 64-Jährige. Russland geht bei den Lockerungen der Corona-Beschränkungen seit Wochen forsch voran, obwohl die Infektionszahlen höher liegen als in Deutschland. Wobei die Zahlen der russischen Statistikbehörde Rosstat oftmals doppelt so hoch liegen wie die des russischen Gesundheitsministeriums. Petkovic informiert sich viel, diskutiert immer wieder mit seiner Ehefrau Nada und vor allem auch mit seinem Sohn Ivan, der wie seine Mutter in Berlin lebt und dort als Arzt arbeitet. „Das russische Medizinsystem ist ein völlig anderes. Man nimmt teilweise in Kauf, dass sich die Menschen infizieren“, so die Eindrücke des gebürtigen Bosniers mit deutschem Pass. Die Intensivstationen in den Krankenhäusern in Moskau seien jedoch nicht überfüllt.

 

Acht Kilogramm abgenommen

Er selbst war schon im November an Covid-19 erkrankt. Zehn Tage plagte ihn das Virus ziemlich heftig, er nahm acht Kilogramm ab. Angesteckt hatte sich Petkovic bei einem Auswärtsspiel in der Ukraine. Längst ist er wieder fit. Was auch sehr wichtig ist. Denn der Stressfaktor in seiner Doppelrolle ist groß. Ursprünglich war bei der Vertragsunterschrift im März 2020 nicht von einer Zusatztätigkeit als Vereinscoach die Rede. Dann kriselte es vergangenen Oktober bei ZSKA und Sergey Shishkarev, mächtigster und einflussreichster Mann im russischen Handball sowie schwerreicher Chef des Delo-Konzerns, bat den Nationalcoach zu helfen. „Ich konnte gar nicht nein sagen“, sagt „Petko“.

Im Achtelfinale der European League

Die Folge: Der Mann ist fast pausenlos auf Achse: Mit der neu formierten Nationalmannschaft, mit der er bei der WM in Ägypten nach richtig starker Vorrunde am Ende auf Platz 14 landete – und mit ZSKA in der Liga und in Europa. Mit dem russischen Topclub steht er im Achtelfinale der European League. An diesem Dienstag (18.45 Uhr) steht zu Hause das Rückspiel gegen GOG Svendborg an, es gilt eine 31:33-Niederlage in Dänemark wettzumachen. Die Terminhatz fordert Petkovic. Immerhin: einige Privilegien, die er genießt, erleichtern manches. Ein Mitarbeiter aus dem Ministerium ist praktisch 24 Stunden am Tag für ihn da, erfüllt ihm jeden Wunsch und fungiert auch als Dolmetscher.

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„Frisch Auf ist meine Liebe“

Trotz des engen Zeitfensters nimmt sich Petkovic die Zeit, regelmäßig auf die Bundesliga zu schauen. Ganz besonders wird er dies am Ostersonntag tun. Dann treffen seine beiden Ex-Clubs aufeinander. Frisch Auf Göppingen (29:13 Punkte) empfängt die Füchse Berlin (27:17 Punkte). „Ganz klar, Frisch Auf ist meine Liebe, in Göppingen habe ich fast zehn Jahre gelebt und gearbeitet“, sagt Petkovic. In diese Ära zwischen 2004 und Dezember 2013 fielen die beiden EHF-Pokal-Siege 2011 und 2012. Von 2016 an trainierte Petkovic die Füchse, die sich im Februar 2020 nach einer Heimniederlage gegen die HSG Nordhorm von ihm trennten.

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Unverständnis über Trennung in Berlin bleibt

„Wir standen auf Platz drei“, kann Petkovic die Entscheidung heute noch nicht verstehen und ergänzt: „Ehemalige Spieler von mir schreiben mir, dass die Füchse jetzt sehen, was sie an mir verloren haben.“ Zuletzt haben die Berliner sechs der vergangenen acht Spiele verloren, sie rutschten auf Bundesliga-Platz sieben ab. Eine kleinen Seitenhieb kann sich der erfahrene Coach nicht verkneifen: „Die Füchse sind ein guter Verein in einer großen Stadt und Bob Hanning wird Lösungen finden. Ich wünsche ihnen wirklich alles Gute, aber wenn ich vom Sportvorstand Stefan Kretzschmar höre, Füchse-Coach Jaron Siewert sei ein Trainerguru, muss ich mich schon wundern. Der junge Mann ist gerade mal 26 Jahre alt.“

Enges Spiel am Ostersonntag

Da fällt sein Blick auf Frisch Auf positiver aus. „Es herrscht Kontinuität, die Einkaufspolitik unter dem Sportlichen Leiter Christian Schöne hat sich klar verbessert und der neue Hauptsponsor tut natürlich gut“, sagt Petkovic. Er traut Göppingen mittelfristig eine Rolle hinter den beiden Branchenführern SG Flensburg-Handewitt und THW Kiel durchaus zu. Auch im Duell am Ostersonntag mit den Füchsen sieht er den Traditionsclub aus dem Filstal im Vorteil: „Es wird ein hart umkämpftes Spiel. Aber Frisch Auf hat siebenmal in Serie gewonnen, viel Selbstvertrauen und wird sich knapp durchsetzen.“ Ihn selbst zieht es nicht in die Bundesliga zurück. „Ich fühle mich superwohl in Moskau.“ Trotz aller Unwägbarkeiten im Umgang mit Corona.