Der Angeklagte soll drei Baufirmen vorsätzlich in die Pleite getrieben haben. Foto: dpa-Zentralbild

Einem 34-Jährigen schien eine glänzende Karriere gewiss. Sie endet mit einer Anklage vor dem Stuttgarter Landgericht.

Böblingen - Die ganze Richterbank gleicht einem mahnenden Fragezeichen. 5950 Euro Miete hatte die Firma für ihre Geschäftsräume bezahlt, 5500 Euro Gehalt für die Geschäftsführerin, 3000 Euro für den einzigen Angestellten, 3200 Euro Miete für das von beiden gemeinsam bewohnte Privathaus: rund 17 500 Euro pro Monat. Die ersten Aufträge des überschaubaren Bauunternehmens waren die Renovierung des eigenen Lagers und der Wohnräume des Paares, erteilt von den Vermietern – behauptet der Angeklagte. Die Rechnungen, 6500 und 5000 Euro, „sind bis heute nicht bezahlt“, sagt der 34-Jährige.

Unbezahlte Rechnungen haben ihn selbst vor das Landgericht gebracht. Die Anklage lautet auf Betrug, Bankrott, Insolvenzverschleppung, unter anderem. Rund eine Stunde lang hat der 34-Jährige erklärt, er sei im Grunde schuldlos daran, dass die Firma keine Steuern, Bestellungen, Sozialabgaben zahlte. Zwei Stunden lang hatten sich zuvor zwei Staatsanwälte die Aufgabe geteilt, sämtliche unbezahlten Schuldenposten zu verlesen. Selbst die Mitgliedsgebühren für ein Fitnessstudio sollten vom Firmenkonto fließen, aber sie flossen nicht. Etwa 1000 Euro seien offen, vermutet der Angeklagte. Genau weiß er es nicht, wie bei etlichen anderen Rechnungen auch.

Drei Unternehmen brachen mit Beteiligung des 34-Jährigen zusammen

Das gerichtliche Fragezeichen wäre minder mahnend, wäre der 34-Jährige zum ersten Mal aktenkundig. Jenes in Leonberg ansässige Bauunternehmen war das Dritte, das unter seiner Beteiligung zusammenbrach. Formal war er angestellt. Die Staatsanwaltschaft hält ihn allerdings für den faktischen Geschäftsführer. Im Handelsregister eingetragen war seine Verlobte.

Die zweite Pleitefirma, auf die sich die Anklage bezieht, führte der Vater des Angeklagten in Böblingen, ebenfalls einen Baubetrieb. Auch dort war der 34-Jährige Angestellter. „Mein Vater spricht sehr schlecht Deutsch“, sagt der Angeklagte. Auch dessen Unternehmen hatte laut Anklage der 34-Jährige geführt. Die Familie war 1986 aus Polen eingewandert. Unstrittig ist die Geschäftsführerschaft im dritten Fall. 2011 hatte der Angeklagte selbst einen Dachdeckerbetrieb gegründet.

Seine Geschichte von der ersten Pleite ist ebenfalls eine Unschuldsbeteuerung. Ein Auftraggeber habe nicht bezahlt. Ein Bautrupp sollte in München für 185 000 Euro ein Dach decken, was für die junge Firma ein Großauftrag war. Die Arbeiter wohnten im Hotel, das Material war bestellt, aber er sei aus dem Geschäft gedrängt worden. „Das war eine Katastrophe“, sagt der Angeklagte. Ihm sei ein Minus von rund 100 000 Euro geblieben. Etlichen anderen sei es ebenso ergangen. Tatsächlich ist der Geschäftsführer des Bauträgers zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. In München hatte der Fall lokale Schlagzeilen gemacht.

Bis zu einem Griff in die Kasse schien eine glänzende Karriere gewiss

Mit seiner ersten Pleite hatte der Angeklagte sich wohl endgültig eine berufliche Zukunft verstellt, die anfangs glänzend schien. Als junger Mann lernte er zunächst Automechaniker, dann Automobilkaufmann. Er zählte zu den bundesweit 100 erfolgreichsten Verkäufern des Audi-Konzerns und studierte in der unternehmenseigenen Akademie Betriebswirtschaft, erfolgreich. Allerdings „habe ich dann einen Fehler gemacht“, sagt er, „ich habe in die Kasse gegriffen“. Danach fehlten rund 100 000 Euro. Wieviel davon er beglichen hat, weiß der Angeklagte nicht zu sagen.

Wie bei etlichen anderen Schulden auch. „Ich habe immer versucht, mich bestmöglich der Sache zu stellen“, sagt er. Was bedeutet, dass er geradezu standardmäßig mit Gläubigern über einen Schuldennachlass verhandelte, vielfach erfolgreich. Gleich ob Insolvenzverwalter oder Volksbank – etliche Gläubiger gaben sich mit Teilbeträgen zufrieden. Letztlich hatten Krankenkassen, die fehlende Beiträge einklagten, alle drei Unternehmen in die Insolvenz gebracht.

Seit er verhaftet wurde, sei er in psychologischer Behandlung, sagt der 34-Jährige. Auch seine Eltern seien „psychisch am Ende, und meine Verlobte schreibt mir furchtbare Dinge“. Sie ist Rechtsanwältin. Aus der Untersuchungshaft heraus habe er sich um neue Arbeit bemüht und zwei Angebote bekommen. Womöglich müssen die Arbeitgeber sich gedulden. Das Urteil soll am 9. Januar fallen.