Ist der Angeklagte für den Suizid seiner Ex-Freundin verantwortlich? Foto: dpa

Ein 47-jähriger Mann hat vor dem Landgericht Stuttgart gestanden, seine Ex-Frau, seine Ex-Freundin und deren Familien bedroht, belästigt und in Angst versetzt zu haben. Hat sich die Ex-Freundin deshalb das Leben genommen?

Stuttgart/Filderstadt - „Mein Mandant bedauert sein Verhalten zutiefst“, sagt Verteidiger Franz Friedel vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart. Dort muss sich ein 47-jähriger Mann unter anderem wegen Nachstellung mit Todesfolge verantworten. Einen Prozess mit diesem Strafvorwurf hat es bis dato nicht gegeben.

Das vom Verteidiger vorgetragene Geständnis des Personalreferenten und ehemaligen Zeitsoldaten betrifft indes lediglich die wüsten Drohungen, die Sachbeschädigungen, die ungezählten SMS und Emails, mit denen der Angeklagte seine Ex-Frau, deren Familie und seine Ex-Freundin gepeinigt hat. Die Ex-Freundin hatte sich schließlich in ihrem Wohnhaus in Filderstadt im Kreis Esslingen erhängt. Verteidiger Friedel betont, der letzte Kontakt seines Mandanten mit der 43-Jährigen datiere vom 5. März 2015. Die Frau hatte sich erst am 9. November 2015 das Leben genommen. Allerdings soll sie auch schon Anfang März 2015 versucht haben, sich mit einem Stromschlag in der Badewanne ihrer Eltern zu töten. Die Mutter war dazwischen gegangen.

Telefonterror und zerstochene Reifen

„Der hört nie auf“, habe ihre Tochter zu ihr gesagt, berichtet die 75-jährige Mutter des Opfers vor Gericht. Eine selbstbewusste, lebenslustige Frau sei die 43-Jährige gewesen – bis zur Trennung vom Angeklagten und den darauf folgenden Bedrohungen, Belästigungen, dem Telefonterror, den zerstochenen Reifen.

Die Speditionskauffrau hatte den Angeklagten übers Internet kennengelernt. Sechs Monate währte die Beziehung, aber: „Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Wir wussten nur nicht, was“, sagt die Mutter, die zusammen mit ihrem Mann ihr einziges Kind von einem Abwasserrohr hängend gefunden hatte. Ihre Tochter habe sich immer mehr zurückgezogen. „Sie hatte Angst, ständig Angst“, so die Mutter. Anfang März 2015 soll die Tochter gesagt haben: „Ich kann nicht mehr. Der macht immer weiter.“ Dann sei sie in die Badewanne gestiegen und habe den Lockenstab ins Wasser geworfen. Danach verbrachte die Frau wegen Suizidgefahr zwei Monate in der Psychiatrie und dann zwei weitere Monate in einer Tagesklinik in Esslingen. Sie schien sich zu fangen, versuchte auch wieder zu arbeiten. Die Tagesklinik wollte sie aber stationär in die Psychiatrie einweisen. Die Eltern nahmen sie stattdessen mit nach Hause. Am 16. November 2015 stand der Prozess gegen den Peiniger vor dem Amtsgericht Nürtingen an. Sieben Tage zuvor brachte sich die Frau um.

Höchststrafe zehn Jahre Gefängnis

„Mein Mandant wusste nicht, dass das Opfer psychisch krank war“, sagt Verteidiger Friedel. Die Mutter der 43-Jährigen bestreitet psychische Probleme ihrer Tochter vor der Trennung vom Angeklagten. Tatsächlich hat der Hausarzt der 43-Jährigen schon 2009 eine depressive Störung bescheinigt und ihr ein Jahr später Antidepressiva verschrieben.

Der in Hamburg gebürtige Angeklagte hat auch alle anderen Taten eingeräumt. So hatte er seine Ex-Frau und deren Familie bis aufs Blut gequält: Anrufe, SMS, Drohungen, zerstochene Reifen, verleumderische Drogenhandelsvorwürfe – sogar der Polizei gegenüber. Von einer anderen Ex-Freundin hatte er versucht, 500 Euro zu erpressen.

Die Frage ist, ob ihn das Gericht für den Suizid der 43-Jährigen verantwortlich macht – Nachstellung, also Stalking, mit Todesfolge? Darauf stehen bis zu zehn Jahre Gefängnis.