Die Staatsanwaltschaft Hannover hat Anklage wegen Bestechlichkeit gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff erhoben. Foto: dpa

Das gab es noch nie: Anklage gegen einen früheren Bundespräsidenten. Wegen Bestechlichkeit. Es geht um rund 770 Euro. Nun muss das Landgericht Hannover entscheiden, ob es zu einem Prozess gegen Christian Wulff kommt.

Hannover - Der Vorgang ist historisch einmalig: Erstmals soll sich in Deutschland ein früherer Bundespräsident wegen Bestechlichkeit vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Hannover erhob am Freitag Anklage gegen Christian Wulff (53). Ob das Verfahren gegen ihn eröffnet wird, ist allerdings offen. Zunächst muss das Landgericht Hannover darüber entscheiden, ob es die Anklage zulässt.

Hintergrund ist Wulffs Verbindung zu dem Filmproduzenten David Groenewold, den die Staatsanwaltschaft zeitgleich wegen Bestechung anklagte. Groenewold übernahm 2008 teilweise die Kosten für einen Oktoberfestbesuch des Ehepaares Wulff in München. Der damalige niedersächsische Ministerpräsident wusste davon nach eigenen Angaben nichts. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft sollte Wulff so motiviert werden, bei Siemens-Chef Peter Löscher für ein Filmprojekt Groenewolds um Geld zu werben, was er einige Wochen später auch tat.

Am Dienstag hatten Wulff und Groenewold ein Angebot der Staatsanwalt zur Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflagen abgelehnt. Wulff hätte 20 000 Euro zahlen und damit auch strafrechtliche Verantwortung übernehmen sollen. Darauf wollte er nicht eingehen - der 53-Jährige will es nun lieber auf einen Prozess ankommen lassen.

Jetzt liegt es in der Hand des Landgerichts Hannover, ob es tatsächlich zum Prozess kommt. Eine schnelle Entscheidung zeichnet sich nicht ab. Zunächst werde den Beschuldigten Frist zu einer Stellungnahme gegeben, sagte Gerichtssprecher Martin Grote. Wie lang diese sein werde, sei völlig offen, da es dafür keinerlei gesetzliche Vorgaben gebe. „Es werden wohl mehrere Monate vergehen, bis feststeht, ob es zu einem Hauptverfahren kommt.“ Grote wollte nicht beurteilen, wie wahrscheinlich es ist, dass es zu einem Prozess gegen Wulff kommen wird.

Die Anklageschrift gegen Wulff umfasst 79 Seiten

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft gegen Wulff umfasst 79 Seiten, es werden 25 Zeugen benannt und sieben Aktenordner schriftliche Unterlagen als Beweismittel angeführt. Gegenstand des Ermittlungsverfahrens waren ursprünglich Wulffs sämtliche Beziehungen zu vermögenden Freunden, von diversen Vorwürfen blieb zuletzt aber nur der im Zusammenhang mit dem Oktoberfestbesuch übrig.

Produzent Groenewold übernahm nach Angaben der Staatsanwaltschaft für Wulff und seine Familie 510 Euro Hotel- und Babysitterkosten, rund 210 Euro für ein Abendessen sowie 3209 Euro für einen Festzeltbesuch mit den Wulffs und weiteren sieben Gästen - insgesamt war zuletzt die Rede von rund 770 Euro gewesen. Die Staatsanwaltschaft betonte, der Wert der Zuwendung spiele bei der Anklageerhebung keine maßgebliche Rolle. Zur Finanzierung von zwei Sylt-Urlauben stellten die Ermittler das Verfahren mangels Tatverdachts ein.

Groenewold klagen die Ermittler außer wegen Bestechung auch wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung an. Der Anwalt des Filmproduzenten, Christian-Oliver Moser, sagte der dpa: „Die Anklage überrascht uns nicht.“

Von Wulffs Juristen war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Am Dienstag hatten seine Anwälte Bernd Müssig und Michael Nagel erklärt, eine Verfahrenseinstellung gegen Auflagen sei für Wulff nicht akzeptabel. Der frühere Bundespräsident vertraue nun auf das Augenmaß des Gerichts, das die Anklage zulassen müsse. Das Verfahren sei lange Zeit von öffentlichen Vorverurteilungen geprägt gewesen, betonten die Anwälte.