Der EVP, der größten Fraktion im Europaparlament, gehören zwölf Abgeordnete aus Ungarn an, die zur gleichen Partei (Fidesz) gehören wie der ungarische Regierungschef Viktor Orbán (Foto). Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Bei den Studientagen der EVP-Fraktion des Europäischen Parlaments kommt immer wieder eine Frage auf: Wie lange wird die Mitgliedschaft der ungarischen Fidesz-Partei des Rechtspopulisten Viktor Orbán noch geduldet?

München - Das Thema steht offiziell nicht auf der Tagesordnung. Doch in den Kaffeepausen kommen die Europaabgeordneten der christdemokratischen Parteienfamilie EVP immer wieder darauf, wenn sie sich noch bis Freitag in München zu ihren Studientagen treffen. Hinter vorgehaltener Hand wird häufig eine Frage debattiert: Kann die EVP, die mit 219 Abgeordneten die größte Fraktion im Europaparlament bildet und vom CSU-Mann Manfred Weber geführt wird, in ihren Reihen die zwölf Abgeordneten aus Ungarn dulden, die zur gleichen Partei (Fidesz) gehören wie der ungarische Regierungschef Viktor Orbán?

Etliche sind der Meinung, dass Orbán längst zum unerträglichen Mühlstein der EVP geworden ist. Orbán lässt keine Gelegenheit aus, sich auf Kosten der EU zu profilieren. So hat er etwa an alle Haushalte im Land seinen EU-feindlichen Fragebogen „Stoppt Brüssel“ verschickt. Im letzten Wahlkampf hat er gegen Brüssel gehetzt, und er weigert sich, Beschlüsse des Rates, etwa zur Umverteilung von Flüchtlingen, umzusetzen. Und selbst dann hält er sich nicht an die Entscheidungen, wenn sie vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) ausdrücklich bestätigt werden.

Bisher hat Weber immer die schützende Hand über die Fidesz-Abgeordneten gehalten. Auch Joseph Daul, Parteichef der EVP, sei ähnlicher Meinung. Er habe sich im Übrigen mit CDU-Chefin Angela Merkel in der Sache eng abgestimmt, hört man in der Fraktion. Doch nun steigt der Druck auf Weber und Daul. Die holländischen Christdemokraten sind inzwischen der Meinung, dass die Fidesz-Abgeordneten in der Fraktion nichts mehr zu suchen haben.

Zweifel kommen auch aus anderen Ländern

Die niederländische CDA hat vor wenigen Tagen bei einem Parteitreffen eine Resolution verabschiedet, in der der Fidesz der Rauswurf aus der EVP angedroht wird. Die Rechtsstaatlichkeit sei durch Verfassungsänderungen in Ungarn bedroht, die Unabhängigkeit von Justiz und Medien gefährdet. Ungarn erhalte jedes Jahr drei Prozent seiner Wirtschaftsleistung aus Mitteln der Europäischen Union. Man müsse jetzt den Dialog mit der Fidesz führen. Ohne Verbesserungen, so der Text weiter, solle die Fidesz selbst ihre Mitgliedschaft in der EVP aussetzen.

Die Fidesz ist empört. In einem Brief von Fidesz-Vize Katalin Novak an den Chef der CDA, Sybrand Buma, der unserer Zeitung vorliegt, heißt es: „Fidesz weist die Lügen der CDA zurück.“ Die CDA möge sich entschuldigen für die Beleidigung. Es sei „nicht zu tolerieren, dass eine Mitgliedspartei eine andere (Mitgliedspartei) angreift ohne vorherige Konsultation und unter Benutzung von Lügen.“ Die Antwort aus den Niederlanden kam prompt. In dem Schreiben, das unserer Zeitung ebenfalls vorliegt, verwahrt sich die CDA gegen die Kritik an der Resolution: Das Papier „spiegelt die weit verbreiteten Sorgen“ unter den Parteimitgliedern wider.

Wie aus der EVP-Fraktion zu hören ist, sind die Niederländer mit ihrem Protest nicht allein. Intern hätten wiederholt Abgeordnete aus Schweden, Österreich, Belgien, Luxemburg und Polen Zweifel an der Zugehörigkeit der Fidesz-Abgeordneten gegeben. Deutsche Mitglieder der EVP-Fraktion halten sich bis jetzt mit Kritik an der Rolle der Fidesz-Abgeordneten in der Fraktion zurück. Wie es heißt, geschieht dies auch aus Respekt vor Fraktionschef Weber, der die Fidesz-Leute nicht herausdrängen will.