Szene aus „Evita“ im Alten Schauspielhaus. Foto: Haymann

Als sie 1952 stirbt, ist sie gerade 33 Jahre alt. Und doch ist Evita Perón bereits eine Kultfigur. Warum die Magie der argentinischen Präsidentengattin noch immer wirkt? Das Alte Schauspielhaus sucht mit „Evita“ eine Antwort.

Stuttgart - Eine Schauspielerin als Präsidentengattin? Unmöglich? Nicht in Argentinien, wo Eva Duarte in den 19’dreißiger Jahren zur Primera Dama aufstieg. 1978 setzten Tim Rice (Gesangstexte) und Andrew Lloyd Webber (Musik) mit der Show „Evita“ der Frau aus dem Volk ein Denkmal. Nach einem Erfolg rund um dem Globus begeisterte das Musical am Wochenende auch im Alten Schauspielhaus in Stuttgart.

Stille am 26. Juli 1952

Ein Fantasiegriff zurück in die Vergangenheit in einen Kinosaal in Buenos Aires. Der Film bricht ab, aus dem Lautsprecher erschrickt eine Mitteilung des Staatsfernsehens das bestürzte Publikum: Evita Perón, Präsidentengattin, ist an eben diesem 26. Juli 1952 gestorben. Sie wurde nur 33 Jahre alt. Das Kinopublikum verlässt die Stuhlreihen, wandelt im Dunkeln mit Kerzen um mobile Bühnenelemente, singt „Requiem für Evita“. Aus dem Orchestergraben dirigiert Nicla Ramdohr die Sänger. Sie begeistern durch groovig-homogene Chorqualität.

In der Besetzung der Live-Band ging Ulf Dietrich für seine Inszenierung eine Kooperation der Schauspielbühnen Stuttgart mit der örtlichen Musikhochschule ein. Am Bühnenrand beobachtet die Figur des Che die Szenerie, entrüstet sich mit frechem Blick „Was für ein Zirkus“. Denn das Volk, hat der stille Revolutionär in den Regierungsjahren der Primera Dama, der First Lady Argentiniens, analysiert, ist kein verlässlicher Partner. Mag Evita (die kleine Eva) auch noch soviel Charity auf die Beine gestellt haben – nach ihrem Tod wird ihre Leiche außer Landes gebracht, das Volk murrt wenig. Manuel Lopez singt und spielt Che und wird mit seinem weichen Tenor schon in den Eingangsszenen zum Publikumsliebling.

Unerhörter Aufstiegswillen

Stephanie Theiß ist Evita, das Mädchen vom Land mit unerhörtem Aufstiegswillen, den sie im Song „Buenos Aires“ besingt. Ihr schöner Mezzosopran überzeugt, nur in den höheren Lagen fehlt die Fülle. „Ich weiß, dass du sie für eine Nutte hältst, aber mach’ sie bitte wundervoll“, soll Textautor Tim Rice den Komponisten Lloyd Webber zu animieren versucht haben.

Dass Sex und Macht sich bei Eva Duarte und Colonel Juan Perón als höchst Erfolg versprechende Liaison erwiesen (Duett „Ich wäre wirklich gut für dich“) – das glaubt man Stephanie Theiß nicht immer. Monika Seidl hat die Schauspielerin, die an den Schauspielbühnen schon in „Willkommen im Paradies“, „Barfuß im Park“ und „Sextett“ zu erleben war, in bezaubernd-luxuriöse Garderoben nach dem Vorbild des Originals gekleidet. Doch Theiß verkörpert stärker das „Heilige“ an der Figur denn das versteckt-lasziv Weibliche. Wohl auch deshalb bannt sie das Publikum besonders, als sie – das Haar aufgelöst, die vom Krebs gebrochene Persönlichkeit im Rollstuhl fixiert – sich mit dem Welt-Hit „Wein nicht um mich, Argentinien“ verabschiedet.

Michael Hiller ist Perón, dessen politische Rolle bis heute in Argentinien umstritten ist. „Die Königin der Herzen“ aber lebt dank zahlreicher sozialer Einrichtungen, die sie aus einer Stiftung finanzierte, weiter. Das Ikonenhafte hat ihrem totalitären Anspruch nur wenig geschadet. Parallelen in der Geschichte der Völker sind bekannt.Riesenbeifall des Premierenpublikums für eine künstlerisch überzeugend inszenierten Show.