Toben, während sich die Eltern umsehen: Der Bewegungsraum Foto: Sascha Schmierer

Nur bei Grundschülern erlebt die Torwiesenschule einen Boom. Die Resonanz auf den Tag der offenen Tür in der Bildungseinrichtung am Rand von Heslach ist jedoch überwältigend, im Schulflur herrscht fast schon drangvolle Enge.

S-Süd - Über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich die Torwiesenschule am Samstag wahrlich nicht beklagen. Die Resonanz auf den Tag der offenen Tür in der Bildungseinrichtung am Rand von Heslach ist überwältigend, im Schulflur herrscht fast schon drangvolle Enge. Mit ihren Kindern im Schlepptau strömen interessierte Eltern an die Vogelrainstraße, um sich ein Bild von der Schule zu machen, die mit ihrer christlich orientierten Trägerschaft und der Eingliederung behinderter Kinder in der Stuttgarter Bildungslandschaft eine Ausnahmestellung hat.

Der integrative Ansatz stößt auf großes Interesse

Kein Zweifel: Die mit gerade mal 22 Kindern pro Jahrgang kleinen Klassen, der Verzicht auf Ziffernoten bei der Leistungsbeurteilung im Grundschulbereich und der integrative Ansatz in der Torwiesenschule stoßen bei Eltern ebenso auf Interesse wie die moderne Einrichtung der Fach-räume, das tägliche Mittagessen und der angegliederte Hort.

Bei den drei Einführungsvorträgen, die Schulleiterin Martina Heß in der Aula über das Bildungskonzept hält, sind die Stuhlreihen fast bis auf den letzten Platz besetzt. Während Mütter und Väter übers gemeinsame Lernen mit und ohne Behinderung aufgeklärt werden, toben sich ihre Kinder im Bewegungsraum an der Kletterwand oder auf der Rollbrett-Rutsche aus.

Eltern erzählten Eltern ihre Erfahrungen

In den Klassenzimmern erzählen die Eltern der Torwiesenschule interessierten Neulingen, was für sie die besondere Qualität der inklusiven Erziehung ausmacht. Die Kinder, die mit dem Verkauf von Hotdogs, Milchshakes oder Waffeln für ihre Klassenfahrt sammeln, dürfen sich über glänzende Geschäfte freuen. 193 Schüler hat die Torwiesenschule, etwa ein Viertel geht mit einer körperlichen oder geistigen Einschränkung durchs Leben. Dem Miteinander, das zeigt sich am Samstag, tut das keinen Abbruch. Im Gegenteil.

Überraschend ist der Andrang beim Tag der offenen Tür für Schulleiterin Martina Heß keineswegs. Die Sonderschullehrerin weiß um die Anziehungskraft der von der Diakonie Stetten getragenen Torwiesenschule auf die Eltern kleiner Kinder. „Im Grundschulbereich erleben wir einen Boom, bei den Erstklässlern haben wir etwa dreimal so viele Anmeldungen wie Plätze“, berichtet die Rektorin.

Nach der Grundschule beginnt der Schwund

Das große Problem der Schule ist, dass sie einen Großteil der Kinder nach den ersten vier Jahren schon verliert. Nach ihrer Grundschulzeit wandern die meisten Zöglinge aufs Gymnasium ab. Diesen Bildungsweg hat die Torwiesenschule mit ihrer weiterführenden Ausrichtung auf die Realschule schlichtweg nicht im Angebot. Und den Lösungsweg, mit einer Gemeinschaftsschule alle Abschlüsse unter einem Dach anzubieten, hat die Schulaufsicht im Stuttgarter Regierungspräsidium abgelehnt – sehr zum Leidwesen der Schulleiterin.

Die Folge der Aufteilung ist, dass sich die Klassengröße nach den ersten vier Jahren drastisch reduziert – von anfangs fast zwei Dutzend Schülern bleibt gerade mal die Hälfte übrig. Der Zugang neuer Kinder hält sich in diesem Alter nach Erfahrung der Rektorin in engen Grenzen. Kaum ein Schüler wechselt auf die Torwiesenschule, um seine Mittlere Reife zu machen.

Der Grund für die Zurückhaltung liegt für Martina Heß auch an Berührungsängsten mit den behinderten Schülern. Der inklusive Ansatz, bei den Erstklässlern noch ein Segen, verwandelt sich bei älteren Schülern in einen Fluch. „Was unten noch anzieht, stößt oben ab“, bringt es die Schulleiterin auf den Punkt. Mit körperlich oder geistig gehandicapten Mitschülern wollen viele Kinder an der Schwelle zur Pubertät offenbar nichts zu tun haben. „Unsere Gesellschaft ist leider noch nicht so weit, dass es normal ist, schon im Kindergarten oder in der Grundschule auch auf behinderte Kinder zu treffen“, sagt sie.

Das zweite Problem ist, dass der Torwiesenschule noch die Anerkennung als Realschule fehlt. Den Stempel der Schulaufsicht hofft Heß in absehbarer Zeit zu erhalten – unter den 34 Lehrkräften sind inzwischen genügend Pädagogen mit dem zweiten Staatsexamen. „Der Weg zur Anerkennung ist steinig und sehr mühsam“, räumt die Rektorin ein, „dafür macht die Arbeit mit den Kindern wirklich Spaß. Und wir haben zum Glück eine engagierte und hoch motivierte Lehrerschaft, die sich auf unser neues Konzept auch einlassen will“.