Fürs Foto setzt sich Foto: Sägesser

Weil niemand die Orgel in der Heilig-Geist-Kirche in Degerloch spielt, wird sie nach Südfrankreich verschenkt. Am Wochenende, 26. und 27. Oktober, verabschiedet sich die Gemeinde von dem Instrument.

Degerloch - Sie zieht zerlegt um. Die Orgel muss in ihre rund tausend Pfeifen und 16 klingende Register zerlegt werden, bevor sich der Transporter auf den Weg ans Mittelmeer macht. Die Orgel, die die vergangenen Jahrzehnte in der evangelischen Heilig-Geist-Kirche an der Wurmlinger Straße zugebracht hat, zieht ins südfranzösische Perpignan. Am Wochenende verabschieden sich die Degerlocher bei zwei Gottesdiensten von dem Instrument. Dann wird auch eine kleine Delegation aus Frankreich da sein.

Für die Orgel ist der Umzug eine Verbesserung. Am neuen Bestimmungsort werden sich die Leute an sie setzen, Register ziehen, Tasten drücken und ihr Töne entlocken. „Es ist einhellig die Meinung der Gemeinde, dass es die Bestimmung einer Orgel ist, Gottesdienste zu gestalten“, sagt der Pfarrer Albrecht Conrad.

Anderes galt für Degerloch. Dort hat die Orgel seit Ende 2005 geschwiegen. Die Michaelsgemeinde hatte sich damals endgültig aus der Heilig-Geist-Kirche zurückgezogen – weil sie das Gotteshaus wegen des Mitgliederschwunds nicht mehr brauchte. Also haben die Evangelischen ihr Gotteshaus vermietet. Seit 2005 feiert die koptisch-orthodoxe Gemeinde ihre Gottesdienste an der Wurmlinger Straße.

Bei den Orthodoxen spielt die Orgel keine Rolle. Weshalb sich in den zurückliegenden Jahren niemand für das Instrument auf der Empore der Kirche interessiert hat. Ein glücklicher Zufall weckt das Instrument nun aus dem Dornröschenschlaf. Die Michaelsgemeinde verschenkt die Orgel an eine evangelische Gemeinde in Perpignan. „Das ist eine Unterstützung unter christlichen Geschwistern“, sagt der Pfarrer.

Der glückliche Zufall widerfuhr Ulrich Stierle. Er war früher Lehrer am Wilhelms-Gymnasium und lebt in Ostfildern. Eines Tages fragte ein Bekannter Ulrich Stierle, ob er etwas mit einer Orgel, die keiner mehr spielt, anzufangen wisse. Da dachte Stierle sofort an seine Nichte Nicola Kontzi-Méresse. Sie ist Pfarrerin in Perpignan – und orgellos. Bisher hatte sich die Gemeinde „mit einem kleinen, elektronischen Ding“ beholfen, wie Stierle sagt. Umso größer war die Freude über das Angebot aus Degerloch. „Die Orgel passt wie angegossen auf die Empore der Kirche in Perpignan“, erzählt Ulrich Stierle.

Die Orgel, die nun auf Reisen geht, ist Ende der fünfziger Jahre gebaut und in den Achtzigern überholt worden. Sie heißt Walcker-Orgel, benannt nach ihrem Erbauer. „Sie ist solide“, sagt die Kantorin Barbara Straub, „aber klanglich nicht das, was man heute bauen würde“.

Ganz gratis ist die Orgel übrigens nicht für die Franzosen. Der Ab- und Wiederaufbau dürfte einen stattlichen Betrag verschlingen. Und die Orgel braucht noch ein Gehäuse. In Degerloch saß sie direkt in einer Mauernische. Die anfallenden Kosten tragen die neuen Besitzer. Sie müssen. Denn anders als in Einzelteilen kann die Orgel nicht ans Mittelmeer reisen.