Erst, wenn die Natur erwacht, zieht es die Burenziegen wieder ins Gelände. Foto: Ines Rudel

Schafe und Ziegen pflegen auch die ökologischen Ausgleichsflächen für die S21- Schnellbahnstrecke bei Mühlhausen. Jetzt brauchen sie dringend Unterstützung.

Mühlhausen - Ohne die Burenziegen und Schafe würde es im oberen Filstal die europaweit einzigartigen und geschützten Wacholderheiden nicht geben. Auch wilde Kräuter wie Majoran und Thymian und selbst die prächtige Silberdistel sind auf die intensive Beweidung der genügsamen Vierbeiner angewiesen, denn sie halten die Hänge frei von Verbuschung. Weil sie aber immer mehr Aufgaben, auch beim ökologischen Ausgleich für den Neubau der Bahnstrecke Wendlingen-Ulm übernehmen sollen, reicht die Zahl der tierischen Naturschützer nicht mehr aus, um alle Steilhänge zu bewirtschaften.

Mehr Naturschützer auf vier Beinen werden gebraucht

„Wir sind absolut am Limit angelangt“, erklärt Johannes Küchle, von der Weidegemeinschaft Goißatäle die Möglichkeiten der rund 250 Muttertiere, die er und seine drei Mitstreiter auf den Markungen von Mühlhausen, Gruibingen und Wiesensteig grasen lassen. Deshalb wollen die Ziegen- und Schafhalter in diesem Jahr den Bestand auf rund 360 Tiere erhöhen.

Die Tiere arbeiten im Dienst des ökologischen Ausgleichs für die Schnellbahnstrecke

Dazu muss in diesem Frühjahr aber zunächst ein neuer und größerer Stall gebaut werden. Die Finanzierung für das interkommunale Projekt der drei Gemeinden scheint immerhin bereits in trockenen Tüchern. Während die Kommunen jeweils rund 40 000 Euro beisteuern, kommt der Löwenanteil für den rund 540 000 Euro schweren Neubau aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe für die neue Bahnstrecke.

Das Geld fließt über die Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg in eine Reihe von Projekten, die der Landschaftserhaltungsverband Göppingen gemeinsam mit den Kommunen und dem Regierungspräsidium umsetzt. Außer dem Stallbau werden auch die Erstpflege von Hecken und verbuschten Heiden gefördert und Festzäune bezuschusst, die den Schäfern die Arbeit erleichtern. „Wir können in den Steillagen nicht ständig die Einzäunung wegnehmen und beim nächsten Weidegang wieder neu setzen“, beschreibt Küchle den Arbeitsaufwand.

Für Ziegen sind dornige Hecken eine Delikatesse

Immerhin 65 Hektar Fläche sollen von den Tieren mindestens zwei Mal im Jahr vor dem Zuwachsen mit Baumschösslingen und Brombeerranken bewahrt werden. Und dabei geht es durchaus arbeitsteilig zu, denn während die Schafe eher fürs Feine zu haben sind, machen sich die Ziegen, die im Schwäbischen Goißa genannt werden, am liebsten über alles Stachlige und Holzige her, berichtet Küchle. Auch dem Bürgermeister von Mühlhausen, Bernd Schaefer scheint die Beweidung eine Herzensangelegenheit zu sein. „Der Wald macht es in diesem engen Tal sehr dunkel. Wenn wir nichts dagegen tun, reicht er irgendwann bis zum Rand der Bebauung.“

Ein Fotovergleich zeige, dass viele Hänge in den 1950er Jahren noch waldfrei waren. Doch das Bild habe sich allmählich gewandelt, seit immer weniger Bewohner die fürs Goißatäle typischen Tiere hielten und auch immer weniger Kleingärten an den Ortsrändern bewirtschaftet würden. Neben der hochwillkommenen Unterstützung durch die Weidegemeinschaft müsse die Kommune längst alle Register ziehen, um den Wald in Schach zu halten. So würden ferngesteuerte Mähraupen eingesetzt und immer wieder sei auch der Bauhof mit Freischneidern im Einsatz.

Verantwortung für das europäische Naturerbe

Die ökologische Bedeutung der Landschaft im oberen Filstal hat auch der Umweltstaatssekretär Andre Baumann bei einem Besuch 2017 betont: „Wir tragen die Verantwortung für die besonderen Kalkmagerwiesen und die Wacholderheiden, die Teil des europäischen Naturerbes sind. Sonst droht ein blauer Brief aus Brüssel“.