Anton van Zanten mit der Trophäe: Sie hat die Form eines Segels, Symbol dafür, wie unbekannte Ufer durch eine erfinderische Idee für die Menschheit erreichbar wurden. Foto: StZ

Der ESP-Entwickler und langjährige Bosch-Ingenieur Anton van Zanten erhält den Europäischen Erfinderpreis für sein Lebenswerk. In der Kategorie „Industrie“ erhalten zwei Deutsche die renommierte Auszeichnung.

Stuttgart - Er musste sich bis kurz vor Schluss der zweistündigen Veranstaltung in Lissabon gedulden. Erst in der letzten von fünf Kategorien des Europäischen Erfinderpreises 2016, und dann auch noch als letzter der drei vorgestellten Finalisten in der Kategorie „Lebenswerk“, hatte Anton van Zanten am Donnerstagnachmittag seinen großen Auftritt. Dann öffnete der portugiesische Premierminister António Costa als Gastgeber der Preisverleihung den letzten Umschlag und verlas den Namen des 75-jährigen „Pioniers in der Automobilsicherheitstechnik“, wie es in der Jury-Begründung heißt.

Der langjähriger Ingenieur der Robert Bosch GmbH erhielt Europas wichtigsten Innovationspreis für seine Leistungen auf dem Gebiet der Automobilsicherheitstechnik. Van Zanten hat im Laufe seines Berufslebens rund 50 Patente angemeldet. Die mit Abstand bekannteste Erfindung des Mannes, der bereits seit 13 Jahren im Ruhestand ist, aber nicht müde wird, immer weiter zu tüfteln, ist das elektronische Stabilisierungssystem ESP. Der gebürtige Niederländer hat das Anti-Schleudersystem während seiner mehr als 25 Jahre währenden Karriere bei Bosch als Leiter einer 35-köpfigen Forschungsgruppe entwickelt – 1995 ging es im Mercedes-Benz S 600 erstmals in Serie.

Im Mercedes-Benz S 600 ist ESP 1995 in Serie gegangen

Das System sei vor allem auf kurvigen Straßen und bei Nässe nützlich, gab sich der Geehrte in seiner Dankesrede bescheiden. Außerdem helfe ESP gerade unerfahrenen Fahrern: „Viele Leben von jungen Menschen konnten gerettet werden“, so van Zanten. Die Zahl der verhinderten Schäden dank des Einsatzes des Sicherheitssystems lässt sich sogar beziffern. Bei Bosch heißt es dazu: „Allein in Europa hat ESP mehr als eine Viertelmillion Verkehrsunfälle verhindert.“ Damit sei der Schleuderschutz nach dem Sicherheitsgurt und noch vor dem Airbag das zweitwichtigste Sicherheitssystem im Auto.

„Anton van Zanten und seine Entwicklerkollegen sind die Schutzengel vieler Autofahrer“, würdigte Bosch-Chef Volkmar Denner am Donnerstag nicht nur den Preisträger selbst, sondern auch die Teamleistung. „Die Erfindung des ESP steht wie kaum eine zweite für unser Credo ,Technik fürs Leben‘“, so Denner.

Der Europäische Erfinderpreis, wird seit 2006 jährlich vom Europäischen Patentamt (Epa) verliehen und gilt als einer der wichtigsten Preise für Innovationen in Europa. Die Trophäe hat die Form eines Segels, Symbol dafür, wie unbekannte Ufer durch eine erfinderische Idee für die Menschheit erreichbar wurden. Die Preisträger in fünf Kategorien wurden von einer internationalen Jury unter fast 400 Erfindern und Erfinder-Teams ausgewählt.

Zwei deutsche Physiker werden in der Kategorie „Industrie“ ausgezeichnet

Ausgezeichnet wurde noch ein weiterer Erfinder aus Baden-Württemberg. Jürgen Weizenecker, seit 2008 als Professor an der Fakultät für Elektro- und Informationstechnik der Hochschule Karlsruhe tätig, erhielt zusammen mit dem gebürtigen Augsburger Bernhard Gleich den Preis in der Kategorie „Industrie“. Das deutsche Physiker-Duo hat mit Magnetic Particle Imaging (MPI) bei Philips Research Hamburg ein zukunftsweisendes Bildgebungsverfahren entwickelt, das dreidimensionale und millimetergenaue Echtzeitbilder von Arteriensystemen und Organen liefert.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tumore ließen sich mit MPI schneller und präziser diagnostizieren, wodurch Ärzte Therapiemaßnahmen früher einleiten können. Weizenecker und Gleich, der 2013 seine Doktorarbeit zum Thema MPI an der Universität zu Lübeck einreichte, haben bis heute mehr als 30 Patente für Verbesserungen der MPI-Technologie durch das Epa erhalten. Der erste präklinische MPI-Scanner befindet sich seit 2014 am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) im Einsatz.

Die Preisträger in den drei weiteren Kategorien

Die übrigen Preisträger

KMU Ein dänisches Quartett wurde in der Kategorie „Kleine und mittlere Unternehmen“ ausgezeichnet: Tue Johannessen, Ulrich Quaade, Claus Hviid Christensen und Jens Kehlet Nørskov haben einen Ammoniakspeicher entwickelt. Ebenfalls aus dieser Kategorie kam Publikumspreisträgerin Helen Lee. Sie hat ein Diagnose-Kit erfunden, mit dem Krankheiten wie Aids oder Hepatitis B in Entwicklungsländern günstig diagnostiziert werden können.

Außereuropäisch
Dass der Gewinner in dieser Kategorie aus den USA kommen musste, stand bereits vor der Preisvergabe am Donnerstag fest, denn alle drei Nominierten waren Amerikaner. Am Ende durfte sich Robert Langer freuen, der Ansätze zur Krebstherapie entwickelt.

Forschung
Eine neue Methode zur Behandlung von Parkinson hat dem Franzosen Alim-Louis Benabid eine Auszeichnung beschert.