Die Chemiebranche setzte zuletzt 198 Milliarden Euro um und hatte 464 000 Mitarbeiter. Foto: dpa//Patrick Pleul

So genannte „Ewigkeits-Chemikalien“, die praktisch unzerstörbar sind und über Jahrhunderte in der Umweltbleiben, sollen möglichst komplett verboten werden.

Brüssel - Chemikalien, die praktisch unabbaubar sind sowie weitere hormonverändernde Stoffe, die in Spielzeugen und Materialien mit Lebensmittelkontakt und Kosmetika enthalten sind, sollen in der EU verboten werden. Diese Substanzen sollen künftig genauso behandelt werden wie krebserregende Stoffe oder Stoffe, die die Fruchtbarkeit einschränken. Das fordert das Europa-Parlament in einer Resolution zur Zukunft der Chemieindustrie. Damit bringt das Parlament seine Forderungen gegenüber der EU-Kommission ein, die im Herbst ihre „Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien“ vorlegen will. Die Nachhaltigkeitsstrategie soll helfen, im Rahmen des von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigten Green Deal zum „Null-Schadstoff-Ziel für eine schadstofffreie Umwelt“ zu kommen.

Das Parlament fordert, dass künftig bei der Produktion von Chemikalien auch der Abbau von Ressourcen, die Energienutzung sowie Gesundheits- und Sozialstandards in der ganzen Lieferkette als Kriterien berücksichtigt werden. Zudem will das Parlament die Rolle von Chemikalien in der Kreislaufwirtschaft stärker unter die Lupe nehmen. So sollen grundsätzlich für neue Produkte die gleichen Regeln gelten wie für Produkte aus recycelten Materialien. Es gelte der Praxis einen Riegel vorzuschieben, dass durch das Recycling gefährliche Altstoffe weiterverwendet werden.

Das Parlament geht auf weitere einzelne Chemikalien ein. So sollen Polymere (etwa Plastik) künftig auch durch die EU-Chemikalienverordnung reguliert werden. Außerdem soll die Branche auch für Chemikalien, die in geringen Mengen von bis zu zehn Tonnen im Jahr in Europa produziert werden, die gleichen Informationen für eine Risikobewertung vorlegen wie sie für Chemikalien nötig sind, die in größeren Mengen produziert werden. Die Auswirkungen von besonders kleinen Stoffen, so genannte Nanopartikel, auf die Gesundheit und die Umwelt sollen umfassender bewertet und, wo nötig, minimiert werden.

Blick auf Lebensmittel

Bei so genannten „Ewigkeits-Chemikalien“, die praktisch unzerstörbar sind und über Jahrhunderte in der Umwelt nachweisbar sind, soll die Kommission einen Aktionsplan vorlegen. Ziel soll sein, möglichst bald alle nicht unbedingt notwendigen Anwendungen zu verbieten. Derzeit gibt es etwa 4700 dieser perfluoralkylierten Substanzen (PFAS). Ein generelles Verbot wäre aus Sicht des Parlaments besser als das derzeitige Vorgehen, wobei immer nur einzelne Substanzen verboten werden.

Darüber hinaus fordern die Abgeordneten eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzes zu Materialien in Kontakt mit Lebensmitteln. Für alle Chemikalien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen können, soll es künftig eine umfassende Sicherheitsbewertung geben.

Branche warnt vor Überregulierung

Der Chef der deutschen Grünen-Abgeordneten, Sven Giegold, sagt: „Wir müssen so schnell wie möglich alle gefährlichen Substanzen durch harmlose Alternativen ersetzen.“ Hormonverändernde Umweltgifte wie Bisphenol-A und seine Brudersubstanzen müssten flächendeckend aus dem Verkehr gezogen werden. „Nur eine nachhaltige Industrie kann wettbewerbsfähig bleiben und auch in Zukunft eine globale Vorreiterrolle einnehmen.“

Dagegen warnt die Branche vor Überregulierung. Gerd Romanowski vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) gibt zu bedenken: „Die von der Kommission angestrebte stärkere Autonomie Europas, zum Beispiel bei der Versorgung mit Arznei- und Desinfektionsmitteln, wird nur gelingen, wenn die benötigten Chemikalien auch zukünftig zur Verfügung stehen und die Unternehmen Planungssicherheit haben.“ Pauschale Verbote seien kontraproduktiv. In der Branche gibt es Befürchtungen, die Kommission könnte die EU-Chemikalienverordnung noch einmal aufmachen, die 2007 in Kraft getreten ist und deren Umsetzung bis heute nicht abgeschlossen ist.