Im Finale der Europa League treffen mit Eintracht Frankfurt und den Glasgow Rangers zwei große Traditionsclubs aufeinander. Wie Ex-Eintracht-Vorstandschef Bruchhagen auf das Duell blickt.
Keine Frage, über die Einladung nach Sevilla hat sich Heribert Bruchhagen sehr gefreut. „Es ist doch schön, wenn man nicht in Vergessenheit gerät. Ich freue mich – und bin mit Begeisterung dabei“, sagt Bruchhagen, der als Vorstandschef von 2003 bis 2016 die Geschicke der Eintracht geleitet hat – und der nun einer der rund 50 000 Anhänger starken Frankfurter Reisegruppe in Andalusien ist. Unter der Sonne Südspaniens fiebern nun alle dem großen Moment entgegen. „Wir genießen es, jetzt so im Rampenlicht zu stehen und den Adler in die Welt zu tragen“, beteuert Kapitän Sebastian Rode.
Der Sieger der Europa League qualifiziert sich automatisch für die Königsklasse
Ein Sieg im Finale der Europa League an diesem Mittwoch (21 Uhr/RTL) über die Rangers aus Glasgow fehlt noch, und die Euro-Adler aus Hessen wären an ihrem Sehnsuchtsort Sevilla am Ziel ihrer Träume angekommen. „Gefühlt drückt uns ganz Deutschland die Daumen, das gibt zusätzliche Energie“, sagt der Eintracht-Cheftrainer Oliver Glasner, für den mit seinem Team einiges auf dem Spiel steht. Schließlich hat sich der Verein als Elfter der Bundesliga über das Alltagsgeschäft nicht für eine weitere Saison auf internationaler Bühne qualifiziert. Siegt die Eintracht allerdings im Finale von Europas zweitwichtigstem Cupwettbewerb im lediglich 40 000 Besucher fassenden Stadion Ramon Sanchez Pizjuan über die Rangers, hätten die Hessen nicht nur 42 Jahre nach dem Triumph im Uefa-Pokal von 1980 den zweiten Europapokal ihrer Vereinsgeschichte geholt – sie befänden sich auch plötzlich mittendrin im Multi-Millionen-Geschäft Champions League. Schließlich ist der Sieger der Europa League automatisch für die kommende Spielzeit der Königsklasse qualifiziert und landet dabei auch noch in Lostopf eins.
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„Dies bietet natürlich eine große Chance, auch in der Champions League schlagbare Gegner zu bekommen und sich womöglich gar in der Gruppenphase durchzusetzen“, blickt Heribert Bruchhagen in einer Sondersendung des Hessischen Rundfunks im Vorfeld des großen Finales bereits voraus. Die Frankfurter Fußballwelt wäre in diesem Fall also weiter eine rosarote.
Bruchhagen: „Um die Eintracht mache ich mir keine Sorgen.“
Als Eintracht-Clubchef hat Heribert Bruchhagen da rund um den Riederwald ganz andere, wesentlich turbulentere Zeiten erlebt. 1996, 2001, 2004 und 2011 – dies sind die Horrorzahlen für jeden Fan der SGE, denn bei insgesamt vier Abstiegen verbrachten die Frankfurter zwischen 1996 und 2012 insgesamt sechs Spielzeiten in der zweiten Liga. Inzwischen sind die Hessen, die noch 2016 die Relegation gegen den 1. FC Nürnberg mit Ach und Krach überstanden, aber eine feste Größe im Bundesliga-Betrieb, und sie setzten 2018 mit dem DFB-Pokal-Sieg im Endspiel gegen den FC Bayern das bisher jüngste Ausrufezeichen.
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„Um die Eintracht mache ich mir keine Sorgen. Der Verein ist gefestigt – und er ist sportlich und wirtschaftlich gut aufgestellt“, sagt Bruchhagen, der seinem Ex-Club auch im Fall eines verlorenen Finales eine gute Zukunft prognostiziert. „Aber natürlich drücke ich die Daumen, dass wir gewinnen“, sagt der 73-Jährige – während der aktuelle Vorstandssprecher Axel Hellmann nach einer schon jetzt triumphalen Europareise mit den Gegnern Fenerbahce Istanbul, Royal Antwerpen, Olympiakos Piräus, Betis Sevilla, FC Barcelona und West Ham United ergänzt: „Wir wollen die Grenzen noch einmal verschieben – und den Titel holen.“
Die Rangers mussten in der vierten Liga neu anfangen
Dabei sind vor dem großen Showdown von Sevilla mit dem Duell gegen die Rangers ein paar Faktoren neu. So geht die Eintracht gegen die Schotten fußballerisch als leichter Favorit ins Rennen, weil sie auch ohne den verletzt ausfallenden Abwehrchef Martin Hinteregger die formal stärkere Elf stellt. Jedoch sind die Frankfurter Fans in Sevilla erstmals in der Unterzahl, weil die Rangers, die in dieser Saison ihr 150-Jahr-Jubiläum feiern, von rund 70 000 Fans nach Andalusien begleitet werden.
Schließlich ist in Glasgow Fußball eine Religion – und das nicht nur, wenn es für die protestantischen Rangers in der Old Firm gegen den katholisch geprägten Stadtrivalen Celtic geht. „Jeder, der dem Club beitritt, gehört zu einer Familie“, sagt Jörg Albertz, der zwischen 1996 und 2001 für die Rangers auflief. Noch heute chattet Albertz einmal pro Woche mit den alten Clubkollegen.
Doch auch hinter den Rangers liegen schwere Zeiten, dabei fiel der sportliche Absturz des 55-maligen schottischen Meisters deutlich heftiger aus als bei der Eintracht. Lange hatten die Rangers aus illegalen Kassen über ihre Verhältnisse gelebt. 2012 flog alles auf, die Steuerbehörde verlangte 165 Millionen Euro, der Verein hatte aber nur drei Millionen, wurde daraufhin aufgelöst – und musste in der vierten Liga neu anfangen.
Nun soll in Sevilla der Traum vom frischen Ruhm für den Europapokalsieger der Pokalsieger von 1972 wahr werden.
Der Weg ins Finale
Eintracht Frankfurt
Gruppenphase: Fenerbahce Istanbul (1:1, 1:1), Royal Antwerpen (1:0, 2:2), Olympiakos Piräus (3:1, 1:2). Achtelfinale: Betis Sevilla (2:1, 1:1). Viertelfinale: FC Barcelona (1:1, 3:2). Halbfinale: West Ham United (2:1, 1:0).
Glasgow Rangers
Gruppenphase: Olympique Lyon (0:2, 1:1), Sparta Prag (0:1, 2:0), Bröndby IF (2:0, 1:1) Zwischenrunde: Borussia Dortmund (4:2, 2:2). Achtelfinale: Roter Stern Belgrad (3:0, 1:2). Viertelfinale: Sporting Braga (1:0, 3:1 n. V.). Halbfinale: RB Leipzig (0:1, 3:1). (sid)