Wird das Fahrverbot in ganz Stuttgart von 2020 an auch für Diesel mit der Euronorm 5 gültig? Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Ein renommierter Rechtsprofessor sollte Argumente für ein nur streckenbezogenes Fahrverbot liefern, auf das die Landesregierung setzt. Das ging schief.

Stuttgart - Die grün-schwarze Landesregierung setzt bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Stuttgart 2020 auf streckenbezogene statt raumgreifende zonale Fahrverbote. So sollen Dieselfahrzeuge mit Euro-5-Einstufung von der Heilbronner Straße, der Hohenheimer Straße, der Hauptstätter Straße und der Straße Am Neckartor ferngehalten werden. Doch diese Strategie der Koalition scheint nach einem neuen Gutachten nicht mehr haltbar.

Gegen den Kompromiss mit straßenweisen Verboten, den die in der Sache zerstrittenen Landesregierung gefunden hat, kämpft die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit einem Antrag auf Beugehaft für Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), dessen Vize Thomas Strobl (CDU) und Regierungspräsident Wolfgang Reimer (Grüne) an. Inzwischen liegt der interministeriellen grün-schwarzen Arbeitsgruppe des Landes zur Luftreinhaltung nicht nur dieser Antrag, sondern das Ergebnis eines Gutachtens vor.

Welche Chancen hätte eine Klage?

Die Hoffnung der Regierung war, dass die Ausarbeitung Erfolgsaussichten für eine sogenannte Vollstreckungsabwehrklage aufzeigt. Mit ihr sollte eine Neubewertung des vom Bundesverwaltungsgericht im Februar 2018 gefällten Grundsatzurteils zu Fahrverboten für Euro-4- und Euro-5-Diesel in Gang gesetzt werden. Das Motto im Groben: Die Stickstoffdioxidwerte sinken, der EU-Grenzwert (40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel) kann in den nächsten Jahren eingehalten werden, ein zonales Fahrverbot für Diesel mit Euro 5 wäre daher überzogen.

Für das Gutachten beauftragte die Regierung nicht irgendjemanden, sondern die renommierten Stuttgarter Kanzlei Dolde Mayen und Partner. Professor Klaus-Peter Dolde hatte für die Vorvorgänger-Koalition das Landesmessegesetz durchgebracht, das Enteignung auf den Fildern möglich machte. Der Kanzlei wird höchste Kompetenz zugeschrieben. Auch deshalb ist das Ergebnis der Untersuchung für das Land desaströs.

Dolde rät Grün-Schwarz von einer Vollstreckungsabwehrklage ab. Sie sei „auf der Grundlage der derzeit herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ohne Aussicht auf Erfolg“. Auch die Hoffnung, dass die Klage, die das Land durch diverse Instanzen treiben könnte, das Euro-5-Dieselverbot aufhielte, zerstört der Rechtsprofessor.. Die Klage habe keine aufschiebende Wirkung. Sie sei „derzeit kein geeignetes Mittel“ gegen ein zonales Euro-5-Dieselverbot und hemme das Grundsatzurteil nicht.

Anwalt bremst Regierung ein

Zarte Möglichkeiten sieht Dolde allenfalls dann, wenn das Land im Revisionsverfahren zum Luftreinhalteplan Reutlingen vor dem Bundesverwaltungsgericht eine wegweisende Entscheidung erreichen würde, nämlich die, dass der von der Bundesregierung neu in das Immissionsschutzgesetz gefügte Verhältnismäßigkeitswert von 50 Mikrogramm anerkannt werden würde. Dazu merkt Dolde aber an, dass der neue Wert vom Verwaltungsgerichtshof als „klarer Verstoß gegen den Vorrang des Unionsrechts“ gewertet wurde und daher laut Gericht „nicht angewendet werden darf“. Derzeit fehle es also auch hier „insoweit an jeglicher Erfolgsaussicht“.

Die Landesregierung aber kapriziert sich auf den 50-er Wert. Er und nicht der um 20 Prozent niedrigere EU-Wert, solle mit streckenbezogenen Fahrverboten 2020 nahezu eingehalten werden. Doldes Schlussbilanz ist für die Koalition ernüchternd: Derzeit gebe es „keinen rechtlich belastbaren Ansatz“, ein zonales Verkehrsverbot für Euro-5-Diesel in der Fortschreibung des Luftreinhalteplans zu vermeiden.