Warten auf Asyl: EU-Staaten müssen Flüchtlinge nicht aus humanitären Gründen aufnehmen, das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Foto: dpa

Luxemburger Richter öffnen keinen neuen legalen Weg für Flüchtlinge nach Europa. Der Europäische Gerichtshof stärkt vielmehr die nationale Entscheidungsgewalt.

Luxemburg - EU-Länder sind nicht verpflichtet, Flüchtlingen aus humanitären Gründen ein Visum auszustellen. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden. Damit steht fest: Die Mitgliedstaaten können weiterhin nach nationalem Recht entscheiden, ob sie von Folter, Tod und Verfolgung bedrohten Menschen in ihren Vertretungen außerhalb der EU sogenannte humanitäre Visa ausstellen.

 

Diese Entscheidung war mit Spannung erwartet worden. Zumal der EuGH-Generalsanwalt Paolo Mengozzi vor kurzem in einem Aufsehen erregenden Gutachten eine gegenteilige Auffassung vertreten hatte, nämlich dass die EU-Staaten schutzbedürftigen Menschen Zutritt gewähren müssen.

SPD kritisiert Entscheidung – CSU dafür

Im konkreten Fall war es um ein syrisches Ehepaar gegangen, das mit seinen kleinen Kindern aus dem umkämpften Aleppo geflüchtet war und im libanesischen Exil in Beirut bei der belgischen Botschaft ein Visum aus humanitären Gründen beantragt hatte. Zunächst hatte ein belgisches Gericht zugestimmt, die belgische Ausländerbehörde lehnte dann allerdings ab, und Belgien zog vor den EuGH.

Die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel bedauert die Entscheidung: „Das Urteil ist ein harter Schlag für Menschen, die vor Krieg und Folter fliehen und sich nicht in die Hände von Schleppern begeben wollen.“ Die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier begrüßt dagegen den Richterspruch: „Der EuGH hat Rechtssicherheit in Fragen der Asylpolitik wiederhergestellt.“ So werde dafür gesorgt, dass die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten, die ihnen im Rahmen des europäischen Rechts zustehen, gewahrt bleiben.

Zwei Wege zum Asyl

Das Urteil macht die Hoffnung von Hilfsorganisationen und Flüchtlingen zunichte, einen neuen legalen Weg in die EU aufzumachen. Grundsätzlich ist die Regelung bislang so: Flüchtlinge müssen in dem EU-Mitgliedsland, in dem sie als erstes ankommen, ihren Asylantrag stellen. Dies sieht das Dublin-Abkommen vor. Von außerhalb der EU ist es schwierig, aber nicht unmöglich, Zutritt zu bekommen. Dafür gibt es zwei Wege: Zum einen haben die EU-Mitgliedsländer nach EU-Recht die Möglichkeit, aus humanitären Gründen besonders schutzbedürftigen Menschen ein Einreisevisum für 90 Tage zu gewähren. Dies sieht der Visa-Kodex der EU ausdrücklich vor. Den Ländern ist damit ein Ermessensspielraum gegeben, ein Einreisevisum zu erteilen, wenn dies die Behörden „aus humanitären Gründen oder aus Gründen des nationalen Interesses als zulässig betrachten“, wie es dort heißt. Der Visa-Kodex der EU wird gerade überarbeitet. Die Verhandlungen zwischen Kommission, Mitgliedsländern und Parlament galten als festgefahren. Es wird erwartet, dass das Urteil aus Luxemburg nun neue Bewegung bringt.

EU-Kommission will Programme zentral koordinieren

Der zweite Weg für Flüchtlinge, legal in ein EU-Land zu kommen, ist einen Platz in einem nationalen humanitären Aufnahmeprogramm zu bekommen. So hat etwa Deutschland seit 2012 bereits 20 000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen, die in einem der Anrainerstaaten sowie Ägypten und Libyen angekommen waren. Darüber hinaus bietet Deutschland seit 2015 jedes Jahr 500 besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen dauerhaft Asyl, die in einem Flüchtlingslager außerhalb der EU sind, dort weder eine Zukunftsperspektive haben noch in ihre Heimat zurückkehren können. So wurden bereits viele Ägypter, Sudanesen und Eritreer aufgenommen. Die Bewerber müssen dafür ein Anerkennungsverfahren im Flüchtlingslager durchlaufen, an dem sich das UN-Flüchtlingshilfswerk beteiligt. Andere EU-Mitgliedsländer haben ebenfalls nationale Umsiedlungsprogramme aufgelegt. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, dass künftig diese Programme von der EU zentral koordiniert werden.