Homosexuelle dürfen künftig nicht grundsätzlich vom Blutspenden ausgeschlossen werden Foto: dpa

Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt: Homosexuelle dürfen künftig nicht grundsätzlich vom Blutspenden ausgeschlossen werden. Verbote müssen verhältnismäßig sein. Die Hintergründe zum Urteil im Überblick.

Luxemburg/Brüssel - Kein EU-Bürger darf wegen seiner sexuellen Orientierung benachteiligt werden. So steht es in der Charta der Menschenrechte und ist somit Bestandteil der EU-Verträge. Aber es gibt Ausnahmen – etwa wenn ein Homosexueller Blut spenden will. Dass beides zusammenpasst, hat am Mittwoch der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden – und zugleich Korrekturen gefordert, die auch Deutschland betreffen dürften.

Wie ist die Lage in Deutschland?

Die meisten EU-Staaten haben nach Skandalen in den 1990er Jahren ihre nationalen Vorschriften für Blutspenden gründlich überarbeitet. Damals waren in Deutschland über 1000 Patienten gestorben, weil sie mit dem HI-Virus kontaminierte Blutkonserven erhalten hatten. Auf europäischer Ebene wurde eine Richtlinie für den Umgang mit Blut sowie den Blutbestandteilen erlassen. Sie sieht vor, dass ein Spender in einem Fragebogen mögliche Risiken durch gleichgeschlechtliche Kontakte, häufig wechselnde Sexualpartner oder Prostitution angibt.

Was hat der EuGH entschieden?

Der EuGH hat geurteilt, dass ein Blutspende-Verbot für Schwule gerechtfertigt sein kann. Es müsse aber verhältnismäßig sein. Die spannenden Fragen muss nun das Gericht in Straßburg klären, das für den konkreten Fall zuständig ist – etwa, ob die Daten der französischen Regierung zum HIV-Risiko belastbar und aktuell sind. Und ob bessere Testmethoden keine Alternative zum Spende-Ausschluss sein könnten. Auch eine genaue Befragung Spendewilliger zu ihrem Sexualverhalten sei eine Möglichkeit.

Was heißt das für Deutschland?

Auch in Deutschland sind Männer, die mit Männern Sex haben, von der Blutspende ausgeschlossen – genauso wie Heterosexuelle mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern oder Prostituierte. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) fordert, dass diese Regelung überarbeitet wird. Der Verband erinnert an eine Analyse der Bundesärztekammer aus dem Jahr 2013. Damals hatte die Ärztevertretung angeregt, den Dauerausschluss durch eine zeitlich befristete Sperre zu ersetzen. Dann wären Menschen wieder zur Spende zugelassen, wenn sie eine bestimmte Zeit keinen riskanten Sex hatten.

Ist das HIV-Risiko bei homosexuellen Männern höher?

Ja. In Deutschland kamen 2013 laut Robert Koch-Institut drei von vier HIV-Neuinfektionen auf Männer, die Sex mit Männern haben. Neuinfektionen insgesamt: etwa 3200.

Wird nicht ohnehin jede Blutprobe getestet?

Doch. Das Problem liegt aber im „diagnostischen Fenster“. Damit gemeint ist die Spanne zwischen der Infektion und dem Zeitpunkt, zu dem sie sich nachweisen lässt. Wie groß das Fenster ausfällt, hängt vom Einzelfall ab: „Wie bei allen biologischen Vorgängen kann diese Zeitspanne abhängig von der Infektionsdosis, vom Subtyp des Virus, vom Infektionsweg oder vom Gesundheitszustand des Infizierten variieren“, erklärt Susanne Stöcker vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das in Deutschland mit zuständig ist für die Sicherheit von Blutspenden. Das diagnostische Fenster kann laut Robert Koch-Institut bis zu acht Wochen betragen.

Was meinen die Betroffenen?

Das EuGH-Urteil betont, Schutzvorkehrungen müssten verhältnismäßig sein. Der Lesben- und Schwulenverband begrüßt es dennoch. „Sexuelle Beziehungen zwischen Männern sind nicht per se ein Sexualverhalten mit hohen Übertragungsrisiko für schwere Infektionskrankheiten“, sagt Sprecher Axel Blumenthal. „Ein genereller Ausschluss homo- und bisexueller Männer von der Blutspende ist deshalb nicht gerechtfertigt.“

Wie sieht das die Landesregierung?

Landesgesundheitsministerin Katrin Altpeter (SPD) macht sich für eine Lockerung des Blutspendeverbots von Homosexuellen stark. Eine strikte und totale Verbot sei nicht mehr zeitgemäß. Es geben Methoden um sicherzustellen, dass Männer, die sich möglicherweise mit HIV infiziert haben, durch Tests ausgeschlossen würden.