Eine Frau mit Kopftuch beim Besuch einer Bildungs- und Jobmesse in Halle Foto: dpa

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ist auch für deutsche Arbeitgeber von Bedeutung. Außenkontakt zu Kunden ist ein maßgebliches Kriterium. Lehrerinnen können künftig womöglich einfacher mit Kopftuch arbeiten als Verkäuferinnen.

Luxemburg - Das Thema Kopftuch am Arbeitsplatz gehört seit Jahren zu den juristischen Dauerbrennern. Jetzt hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz unter bestimmten Umständen zulässig sein kann. Allerdings: die Rechtsstreitigkeiten werden weiter gehen. Denn auch wenn die beiden am Dienstag verkündeten Urteile (Az: C-157/15 und C-188/15) mit Spannung erwartet wurden, alle Fragen sind damit noch lange nicht erledigt.

Zu entscheiden hatten die Luxemburger Richter über zwei ähnlich gelagerte Fälle. Da war zum einen eine Belgierin, die als Rezeptionistin entlassen wurde, weil die bekennende Muslima nicht auf ihr Kopftuch verzichten wollte. Ihre Kündigung erklärte der EuGH für rechtmäßig. Zum einen waren in der Firma allen Angestellten religiöse und politische Abzeichen ausdrücklich untersagt. Zum anderen war die Frau im Außendienst mit Kundenkontakt tätig und repräsentierte so ihre Firma besonders.

Der Fall aus Frankreich unterscheidet sich

Im zweiten Fall hatte sich eine französische Projekt-Ingenieurin ebenfalls geweigert, ihren Schleier abzulegen, der Kopf und Nacken bedeckt und das Gesicht frei lässt. Ein einzelner Kunde hatte sich darüber beschwert. Dies allein reiche nicht aus, um eine Entlassung zu rechtfertigen, so das Gericht. Um den Fall endgültig zu entscheiden, fehlten dem EuGH jedoch wichtige Informationen. Die Luxemburger Richter gaben die Akten nach Frankreich zurück – versehen mit den Vorgaben, die sie im belgischen Fall gemacht hatten.

Ein Kopftuchverbot ist demnach nur dann zulässig, wenn ebenso alle anderen weltanschaulichen Zeichen verboten werden und wenn es gute Gründe dafür gibt. Als entscheidendes Kriterium nennt der Gerichtshof, dass die Regel tatsächlich neutral gegenüber den Religionsgruppen ist. Zielt sie darauf ab, nur die Anhänger einer bestimmten Weltanschauung in der Ausübung und dem Bekenntnis zu ihrer Religion einzuschränken, ist sie als diskriminierend zu werten und nicht rechtens.

Eine Verbotsformulierung wie in der belgischen Firma, wonach alle „Zeichen einer politischen, philosophischen oder religiösen Überzeugung“ nicht getragen werden dürfen, erfüllt die Luxemburger Vorgaben. Das alleine reicht aber nicht. In der Praxis muss gegen Träger von christlichen Kreuzen oder der jüdischen Kippa ebenso vorgegangen werden. Die nationalen Gerichte können nach Ansicht des EuGH aber dann anders urteilen, wenn sie zu dem Schluss kommen, dass die Regel selektiv angewandt werde, etwa nur auf das Tragen islamischer Kopftücher. Das wird noch viel Raum für weiteren Streit vor den Gerichten bieten.

Ein Kundenwunsch ist nicht entscheidend

Firmen, so der EuGH, hätten das Recht, ihren Kunden das Bild der Neutralität in Fragen der Weltanschauung und Religion zu vermitteln. Eine Ungleichbehandlung verschiedener Religionen ist danach nur zulässig, wenn sich dies aus der Art der Tätigkeit ergibt. Dies könne etwa aus Gründen der Hygiene oder der Sicherheit sein. Relevant ist laut EuGH auch, ob die Regelung nur Angestellte mit Kundenkontakt betreffe. Vor der Kündigung müsse geprüft werden, ob nicht ein anderer Arbeitsplatz angeboten werden könne. Allerdings: ein einzelner Kundenwunsch, so wie in dem Fall aus Frankreich, reicht nicht für eine Kündigung.

In Deutschland sind Kopftücher am Arbeitsplatz im Prinzip erlaubt, Einschränkungen sind aber möglich. Bei der Beurteilung müssen sich deutsche Gerichte künftig an die Klarstellungen des EuGH halten. Die Antidiskriminierungs-Beauftragten des Bundes, Christine Lüders, mahnte Zurückhaltung an. Ein Kopftuchverbot könne den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren. „Die Arbeitgeber sollten sich in Zukunft gut überlegen, ob sie sich durch Kopftuchverbote in ihrer Personalauswahl einschränken wollen“, sagte Lüders. Der Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber begrüßte das Urteil. „Der EuGH gibt ein klares Zeichen – in Europa gelten die Werte Europas“, sagte der CSU-Politiker.

Keine Auswirkungen hat das Luxemburger Urteil auf die Diskussion im Bereich der Beamten. Das Bundesverfassungsgericht hat im Januar 2015 entschieden, dass ein pauschales Kopftuchverbot in Schulen nur dann gerechtfertigt sei, wenn durch das Tragen des Kopftuches eine „hinreichende konkrete Gefahr“ für den Schulfrieden drohe. Die Diskussion über ein Kopftuch in Gerichtssälen ist in vollem Gange. Das kann zu der Situation führen, dass Lehrerinnen mit Kopftuch rechtlich besser abgesichert sind als Verkäuferinnen.