Menschen in Deutschland protestieren gegen Artikel 13 der Urheberrechtsrichtlinie. Foto: dpa

Julia Reda, Europaabgeordnete der Piratenpartei, erklärt den Protest gegen die EU-Urheberrechtsreform – und warum das Internet durch die neue Richtlinie noch mehr von großen Firmen bestimmt werden könnte.

Berlin - Julia Reda sitzt für die Piratenpartei im Europaparlament – und ist eine entschiedene Gegnerin der neuen EU-Richtlinie zum Urheberrecht, wie sie am Dienstag das Europaparlament beschließen soll. Im Interview erklärt sie, warum diese Richtlinie gestoppt werden sollte.

Frau Reda, viele CDU-Politiker und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel betonen, dass die EU-Urheberrechtsreform keine verpflichtenden Filter für das Hochladen von Inhalten vorsieht. Gibt es also gar kein Problem?

Natürlich gibt es eine Verpflichtung. Artikel 13 der neuen Richtlinie zum Urheberrecht sieht vor, dass Internetplattformen geschützte Inhalte vor dem Hochladen verhindern müssen, wenn sie keine Lizenz dafür haben. Kein Urheber muss eine Lizenz erteilen. Also führt an diesen Upload-Filtern kein Weg vorbei. Etwas anderes zu behaupten ist irreführend.

Es gibt diese Filter schon lange, etwa bei Youtube.

Das stimmt, sie sind aber freiwillig und werden hauptsächlich bei den großen Internetportalen genutzt. Außerdem beschränken sie sich meistens auf Musikaufnahmen. Künftig muss aber nicht nur Musik, sondern die ganze Breite künstlerischer Werke geprüft werden – sogar Dinge wie Computercode. Und schon die bestehenden Filter machen Fehler und ordnen etwa das Urheberrecht der falschen Person zu. Was jetzt hinzukommen soll, ist technisch nicht überprüfbar.

Der Widerstand dagegen ist vor allem in Deutschland groß. Interessiert das im Rest der EU niemanden?

Doch, wir haben im Parlament Zuschriften aus ganz Europa bekommen, die die Reform kritisch sehen. Allerdings gehen nur hier wirklich viele auf die Straße. Ich vermute, das liegt an dem Schlingerkurs der Bundesregierung. Denn im Koalitionsvertrag steht, dass man keine Upload-Filter will. Dass es nun doch darauf hinausläuft, löst bei den Leuten Frust aus.

Die Debatte scheint zu einer Glaubensfrage auszuarten, Lobbygruppen arbeiten auf beiden Seiten. Wem können Abgeordnete noch glauben?

Wer sich nicht sicher ist, sollte sich unabhängige Statements anschauen. Etwa das des Bundesdatenschutzbeauftragten oder das des UN-Sonderberichterstatters für Meinungsfreiheit. Beide sehen die Richtlinie und Artikel 13 kritisch.

Wie, glauben Sie, geht die Abstimmung am Dienstag im Europaparlament aus?

Es wird extrem knapp. Bei der letzten Abstimmung zum Thema gab es nur eine Mehrheit von 70 Stimmen. Und damals waren kleine Plattformen noch uneingeschränkt ausgenommen – das ist jetzt nicht mehr so. Der Widerstand könnte also noch wachsen.

Wenn die Richtlinie wie geplant beschlossen wird, wie verändert sich aus Ihrer Sicht das Internet?

Ich denke, die großen Technologiefirmen wie Google, Youtube und Co. werden überleben. Aber das Internet wird mehr wie das Kabelfernsehen. Also viel stärker geprägt durch die großen Spieler, Firmen, Künstler und Kanäle, bei denen sie dann Lizenzen für die Inhalte kaufen.