Plastikmüll ist weltweit ein Problem: Der Strand von Accra, der Hauptstadt von Ghana, ist übersät mit alten Plastikflaschen. Foto:  

Eine EU-Strategie für saubere Ozeane: Einweggeschirr und Wattestäbchen aus Kunststoff sollen verboten, der Gebrauch von Trinkbechern soll eingedämmt werden.

Brüssel - Die EU sagt Plastikabfällen Kampf an: Sie will Einwegprodukte aus Plastik verbieten, die am häufigsten an Stränden gefunden werden. Zudem will sie der Industrie die Kosten für die Entsorgung von Plastikmüll auferlegen. Was dies für Verbraucher bedeutet – die wichtigsten Fragen und Antworten:

Welche Plastik-Produkte sollen verboten werden?
Die EU will Einwegkunststoffprodukte vom Markt nehmen, für die es preislich erschwingbare Alternativen gibt. Sie plant ein Vermarktungsverbot für aus Plastik hergestellte Wattestäbchen, Besteck, Teller, Trinkhalme, Rührstäbchen und Luftballonstäbe. Die Kommission schlägt vor, dass diese Gegenstände künftig aus umweltfreundlicheren, leichter vergänglichen Materialen hergestellt werden müssen. Einweggetränkebecher aus Plastik sollen nur dann erlaubt sein, wenn Deckel und Verschlüsse an ihnen befestigt sind.
Was passiert bei Einweg-Produkten, bei denen es noch keine preiswerten Alternativen zu Plastik gibt?

Hier setzt Brüssel auf Vorgaben für die Hauptstädte: Die Mitgliedstaaten sollen dafür sorgen, dass weniger Lebensmittelverpackungen und Getränkebehälter in Umlauf kommen. Sie können etwa Einwegprodukte aus Plastik teurer machen, plastikfreie Alternativen stärker in den Handel bringen oder nationale Ziele für die Reduzierung des Plastikmülls aufstellen.

Was soll die Industrie tun?
Die Hersteller werden zur Kasse gebeten und sollen für die Entsorgung von bestimmten Plastikabfällen sowie Kampagnen zahlen, mit denen das Verhalten der Verbraucher umweltbewusster werden soll. Dies gilt für folgende Plastikprodukte: Behälter, Tüten und Folienverpackungen für Lebensmittel, etwa Chips und Süßigkeiten, Getränkeflaschen, Filterzigaretten, Feuchttücher, Luftballons und einfache Plastiktüten.
Was soll der Verbraucher tun?
Der Verbraucher ist gefordert, den Gebrauch und die Entsorgung von Produkten aus Plastik zu überdenken, die eine hohe Belastung für die Umwelt darstellen: Dies gilt etwa für einige Kosmetikartikel wie Hygieneeinlagen, Feuchttücher sowie Luftballons. Die EU-Kommission denkt hier auch an Hinweise für die Verbraucher auf den Produkten. Labels sollen die Bürger darüber informieren, wie ein Produkt am besten entsorgt wird, ob es Plastik enthält und wie umweltschädlich ein Produkt ist. Im großen Stil sind Kampagnen zur Aufklärung geplant: Mitgliedstaaten sollen von Brüssel verpflichtet werden, die Bürger zu sensibilisieren, welche Folgen eine unsachgemäße Entsorgung von Plastik für die Umwelt hat.
Wie soll der Müll durch Einweggetränke-Verpackungen reduziert werden?
Die Kommission will verpflichtende Recycling-Quoten für die Mitgliedsländer durchsetzen. 2025 sollen die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, 90 Prozent aller Einweg-Getränkeverpackungen aus Plastik zu sammeln und wiederzuverwerten. Dafür sind etwa Rücknahme-Systeme in Kombination mit einer Bepfandung denkbar.
Warum greift sich die EU die Produkte heraus?
Der Kommission geht es um die Bekämpfung des Plastikmülls in den Meeren. Untersuchungen haben ergeben, dass zehn Einwegprodukte aus Plastik sowie Fischfanggeräte 70 Prozent der Plastikabfälle im Meer ausmachen. Ein Spezialfall sind die Fischfanggeräte. Sie machen 27 Prozent der gesamten Strandabfälle aus. Die Kommission will die Hersteller der Fischfanggeräte verpflichten, die Kosten für das Einsammeln der Plastikgegenstände sowie den Abtransport und das Recycling zu übernehmen.
Was ist mit der Einkaufstüte aus Plastik?
Die hatte sich die EU schon früher vorgeknöpft. So will sie durchsetzen, dass jeder EU-Bürger bis 2025 im Schnitt nur noch 40 Tüten im Jahr verbraucht. Ausgenommen sind dünne Plastiktüten, wie sie etwa zum Verpacken von Obst und Gemüse im Supermarkt verwendet werden. In Deutschland, wo im Schnitt 71 Tüten pro Einwohner verbraucht werden (Stand 2016), hat sich die Bundesregierung mit dem Handel zur Umsetzung der EU-Richtlinie auf eine Selbstverpflichtung geeinigt. Sie sieht vor, dass bis 2018 mindestens 80 Prozent aller Tüten an der Ladentheke in Deutschland kostenpflichtig sind, ansonsten droht ein Gesetz. Laut Bundesumweltministerium halten die Händler ihre Zusagen ein.
Was sagen die Lobbyisten?
Heike Vesper, Meeresschutzexpertin beim World Wild Fund for Nature (WWF) Deutschland, sagt: „Wegwerfplastik direkt anzugehen ist wichtig, aber die EU nimmt hier mit Einwegartikeln aus der Gastronomie nur die Spitze des Eisbergs ins Visier.“ Europaweit müssten deutlich klarere Signale in Richtung Vermeidung und Kreislaufwirtschaft gesetzt werden. Die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) wirft der EU vor, Symbolpolitik zu betreiben. Jürgen Bruder von der IK gibt zu bedenken: „Wenn es zu einem Trend geworden ist, unterwegs zu essen und zu trinken, gilt es, nachhaltige Lösungen dafür zu stärken, ohne bestimmte Materialien zu diskriminieren.“
Wann kommt die Plastiksteuer?
EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) hat eine Plastikabgabe der Mitgliedstaaten an den EU-Haushalt vorgeschlagen. Pro Kilogramm Plastik, das nicht recycelt wird, soll jedes Mitgliedsland 80 Cent an den EU-Haushalt abführen. So sollen mehrere Milliarden Euro im Jahr für den EU-Haushalt zusammen kommen und Plastikabfälle reduziert werden. Oettinger stellt es den Mitgliedstaaten anheim, ob sie selbst eine Plastiksteuer erheben oder aus eigenen Mitteln die Abgabe an Brüssel aufbringen. Die Hürde ist hoch, bevor das Geld nach Brüssel fließt: Alle Mitgliedstaaten müssen zustimmen.
https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.kampf-dem-plastikmuell-esslingen-nimmt-pfand-fuer-coffee-to-go.a4c41b97-9619-470e-b377-84bdfa17d862.html