Rotkehlchen könnten die Leidtragenden sein, wenn die EU ihre Naturschutzgesetze aufweicht Foto: ryzhkov_sergey - Fotolia

Die von der EU geplante „Modernisierung“ der EU-Naturschutzrichtlinien könnte den Tod von Millionen von Sing- und Greifvögeln bedeuten. Auch der Artenschutz – so befürchtet der Naturschutzbund (Nabu) – fiele dann dramatisch zurück.

Stuttgart - Die EU-Kommission hat begonnen, ihre Gesetze unter dem Motto „Fitness-Check“ auf den Prüfstand zu stellen. Betroffen davon sind auch die EU-Vogelschutzrichtlinie und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) – „zwei der wirksamsten Instrumente im Naturschutz weltweit“, wie der Nabu-Landesvorsitzende Andre Baumann meint. „Wir befürchten Schlimmstes: einen Rückschritt im EU-Naturschutz um 30 bis 40 Jahre“, sagte er zum Tag der biologischen Vielfalt an diesem Freitag.

 

Die FFH-Richtlinie existiert seit 1992, die Vogelschutzrichtlinie seit 1979. „Beide haben viele Tier- und Pflanzenarten vor dem Aussterben gerettet“, so Baumann. Das gelte etwa für die Kraniche durch den Schutz von Zugvögeln im Mittelmeerraum und das Bewahren ihrer Brutplätze sowie den Aufbau des weltgrößten Schutzgebietsnetzwerks Natura 2000. Erfreulich entwickelt hat sich aus Sicht des Nabu auch der Wanderfalke, der vor 35 Jahren fast ausgestorben war und jetzt nicht mehr auf der Roten Liste auftaucht. Und auch die Rückkehr des Wolfs sei auf die Existenz der Schutzgebiete zurückzuführen. In Baden-Württemberg sind 17,3 Prozent der Landesfläche FFH- oder Vogelschutzgebiet.

Jetzt sieht der Nabu – und mit ihm weitere Naturschutzorganisationen – vor allem Zugvögel gefährdet und dem „millionenfachen Vogelmord in Süd- und Osteuropa“ Tür und Tor geöffnet. Rotkehlchen, Nachtigallen und Wespenbussarde würden in Leimruten, Netzen oder durch Schrotkugeln getötet. Bisher ist das verboten, lediglich durch Wilderei kommen Vögel ums Leben.

Wenn die Gesetze aufgeweicht würden – und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe bereits eine Zusammenlegung angedeutet – brauche man die Singvögel hier nicht mehr zu schützen, wenn sie schließlich im Mittelmeerraum getötet würden. Baumann sagt, gerade EU-Mitgliedstaaten in Südeuropa sprächen sich für die Schleifung der Richtlinien aus. Und der für Umweltthemen zuständige EU-Kommissar stamme aus Malta, wo Singvögel massiv verfolgt würden. „Wenn diese bislang noch illegale Wilderei legal wird, wäre das katastrophal“, sagt Baumann, der selbst schon an Aktionen am Mittelmeer zur Rettung von Singvögeln beteiligt war.

Eine aktuelle Studie untersucht die Rückkehr von etwa 40 Säugetier- und Vogelarten wie Kranich, Biber und Seeadler in den vergangenen 50 Jahren – erfolgreicher Artenschutz. Den sieht der Nabu jetzt in Gefahr, außerdem den Erhalt wertvoller Lebensräume. So verfügt Baden-Württemberg über Naturschätze von europaweiter Bedeutung wie die Schilfgürtel am Bodensee, die Wacholderheiden der Schwäbischen Alb, die Moore Oberschwabens, die steppenartigen Dünen in der Kurpfalz oder die Auenwälder am Rhein. „Die bestehenden Euro-Richtlinien sind segensreich für den Naturschutz“, so Baumann.

Ein besonderes Augenmerk richtet er auf Flachland-Mähwiesen, die zu den wertvollsten Schutzgebieten Europas gehören, vielen Landwirten aber ein Dorn im Auge sind. Der Deutsche Bauernverband (DBV) fordert jetzt: „Um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten, muss der in der FFH-Richtlinie festgelegte Grundsatz der Berücksichtigung von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Anforderungen sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten bei der praktischen Umsetzung von Natura 2000 stärker Anwendung finden. Entgegen politischen Zusagen ist ein Bestandsschutz für die bisherige Bewirtschaftung bislang nicht gegeben.“ Insgesamt müsse das Naturschutzrecht stärker auf eine Kooperation mit den Landnutzern ausgerichtet werden, so der DBV. Andre Baumann hält dagegen: „FFH-Gebiete sind keine Käseglocke. Man kann dort zu einem Ausgleich kommen, ohne gleich die Gesetze zu schleifen.“

Der Nabu will jetzt auch die Bürger beteiligen und hat die Aktion „Naturschätze retten“ gestartet. Die Öffentlichkeit kann sich bis 24. Juli in den Prozess einbringen.

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